Bauplan für den virtuellen Leitstand

Die Umstellung von einer herkömmlichen, überwiegend auf analogen Prozessen basierenden Produktion auf die Anforderungen einer digitalisierten und automatisierten Industrie 4.0 stellt viele kleine und mittlere Unternehmen vor große Herausforderungen. Aus Angst vor Risiken und Kosten zögern sie daher oft, die notwendigen Schritte zur Digitalisierung ihrer Arbeitsabläufe energisch genug voranzutreiben.

Hier setzt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte, im Februar 2018 angelaufene IT-Projekt Titan an, an dem das Maritime Cluster Norddeutschland als assoziierter Partner beteiligt ist. Ziel dieses Projekts ist es, kleinen und mittleren Unternehmen einen Weg zu öffnen, um Software schrittweise einzuführen, vorhandene Systeme zu integrieren und dabei durch ein Open-Source-Lizenzmodell unabhängig von einzelnen Softwareanbietern zu bleiben.

Maßgeblich beteiligt an Titan ist neben dem Kieler IT Unternehmen wobe-systems ein Team um Informatik- Professor Dr. Wilhelm Hasselbring von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. „Fast jede industriell eingesetzte Maschine verfügt heutzutage über eine sogenannte Embedded Software“, erläutert der Wissenschaftler. Das Projektteam stellt eine Infrastruktur bereit, die Sensoren und Geräte vernetzt und die unterschiedlichsten Daten sammelt und auswertet. „Die Titan-Software zieht diesem Daten aus den verschiedenen Anwendungen heraus und führt sie im Anschluss zusammen“, erklärt Hasselbring. In einem virtuellen Leitstand werden diese Daten dann gebündelt und entsprechend visualisiert.

Derart vernetzt, kann ein Unternehmen beispielsweise seinen Ressourcenverbrauch genau monitoren und gegebenenfalls optimieren. Durch die Zusammenführung der Daten kann die Spitzenlast von Maschinen dargestellt werden, erläutert Hasselbring: „Stromspitzen kosten die Unternehmen viel Geld, denn anhand der Spitzenstromlast bestimmt sich in der Regel der Grundstrompreis.“ So wird das gezielte Datenmonitoring zur Grundlage für die Optimierung von Prozessen. Auch eine vorausschauende Wartung wird so möglich: Ein Bauteil liefert dann frühzeitig die Information, dass es in Kürze vor dem Verschleiß steht. Die Unternehmen können dieses Teil dadurch rechtzeitig und im laufenden Betrieb ersetzen. Ein längerer Produktionsstillstand wird so vermieden.

Neu für weite Teile der mittelständischen produzierenden Industrie ist auch das innovative Entwicklungskonzept, das bei Titan zum Einsatz kommt. „Das Projekt folgt der DevOps-Methode“, erläutert Hasselbring. Der Begriff setzt sich aus Development (Entwicklung) und IT Operations (Betrieb) zusammen. Beide Seiten sind in den Entwicklungsprozess eingebunden, was schnelle, agile Anpassungen möglich macht. Die einfache, grafische Sprache, die in Titan entwickelt wird, soll es auch dem Facharbeiter ohne IT-Spezialkenntnisse ermöglichen, die Software anzupassen, wenn in der Produktion Abläufe geändert werden.

Angelaufen ist Titan mit einem Kieler Druckhaus und einem Hersteller von Inspektionsanlagen als assoziierte Anwendungspartner. Aber auch für produzierende Unternehmen aus der maritimen Wirtschaft dürfte das bis Ende Juli 2020 laufende Projekt interessant sein. „Wir sind da sehr offen“, betont Projektleiter Hasselbring.

Kontakt

Prof. Dr. W. Hasselbring
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
+49 431 880-4664
hasselbring@email.uni-kiel.de
 

Peter Moller
Maritimes Cluster Norddeutschland
Geschäftsstelle Schleswig-Holstein
+49 431 66666-868
peter.moller@maritimes-cluster.de