Herausforderung sicheres Schiffsrecycling

Mit dem Inkrafttreten der Hong Kong Convention der International Maritime Organisation (IMO) werden ab Ende Juni 2025 internationale Vorschriften für das Recycling von Schiffen gelten. Doch neben dem neuen Regelwerk und der seit 2020 vollständig umzusetzenden EU Ship Recycling Verordnung (EU SRR) gelten noch weitere Regelungen. Das Maritime Cluster Norddeutschland hat deshalb gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum GreenShipping Niedersachsen eine „Übersicht zu den Regelwerken des Schiffsrecyclings aus Sicht eines Eigners“ vorgelegt. Die aktuelle Studie erläutert Reedereien, Schiffsmanager:innen und potenziellen Betreiber:innen von Recyclinganlagen die wesentlichen Aspekte der relevanten Vorschriften. Autor ist Henning Gramann, dessen GSR Services GmbH weltweit Recyclingbetriebe und Schiffseigner:innen beim fach- und umweltgerechten Schiffsrecycling unterstützt.
Die Hong Kong Convention soll die seit vielen Jahren international kritisierten Praktiken beim Zerlegen von Schiffen in Bezug auf Umweltschutz und Arbeitssicherheit verbessern und einheitliche Standards sowie Kontrollmöglichkeiten definieren. Die neuen Regelungen setzen lange vor der letzten Fahrt eines Schiffes zum Verschrotten ein. Für neue Schiffe muss schon die Bauwerft ein Gefahrstoffkataster über die an Bord verbauten Materialien anlegen. Im Betrieb muss dieses „Inventory of Hazardous Materials“ (IHM) vom Eigner oder der Eignerin des Schiffes kontinuierlich gepflegt und alle paar Jahre neu zertifiziert werden.
Studienautor mahnt Schiffseigner:innen zu sorgfältigem Umgang mit dem neuen Regelwerk
Das IHM kann künftig bei Hafenstaatenkontrollen überprüft werden und ist unabdingbare Voraussetzung für das legale sowie sichere Recyceln eines Schiffes. Auch wegen der Verantwortlichkeiten aller Beteiligten mahnt Gramann in der MCN-Studie Schiffseigner:innen zu einem sorgfältigen Umgang mit der Hong Kong Convention: „Auf Grund der betroffenen Sachwerte und möglicher schwerwiegender Folgen sind komplexe Streitfragen und hohe Regressforderungen nicht auszuschließen.“
Die MCN-Studie zeigt, dass auch die EU Ship Recycling Verordnung eine Vielzahl komplexer Anforderungen an Schiffseigner:innen stellt. Grundsätzlich setze die Verordnung die Bestimmungen der Hong Kong Convention in europäisches Recht um, enthalte aber weitergehende Vorschriften, erläutert Gramann. Unter anderem ist darin geregelt, welche Kriterien Recyclingbetriebe innerhalb und außerhalb der EU für das Abwracken von Schiffen erfüllen müssen. Unter der Flagge eines EU-Landes fahrende sowie außerhalb der EU registrierte Schiffe, die ihre letzte Reise von einem Hafen in der EU antreten, dürfen nur auf einer nach EU-Recht zertifizierten und registrierten Anlage zerlegt werden. Zusätzlich wird die Rechtslage kompliziert, weil Schiffe bereits nach der Entscheidung zum Recycling als Abfall gelten und dem internationalen und jeweils nationalem Abfallrecht in einem auf der Fahrt angelaufenen Hafen unterliegen.
Schiffsrecycling als lukratives Thema für deutsche maritime Industrie identifiziert
Aufgrund des aktuell hohen Bedarfes an Frachtkapazitäten und damit Schiffsraum gibt es nach Einschätzung Gramanns derzeit keinen signifikanten Recyclingbedarf. Analysten erwarten jedoch, dass in den kommenden Jahren weltweit rund 15.000 Schiffe abgewrackt werden. Das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen rechnet ab 2033 jährlich mit etwa 20 Millionen Tonnen Stahlschrott aus dem Recycling von Schiffen. Innerhalb Europas gibt es der MCN-Studie zufolge noch keine nennenswerten Abwrackkapazitäten. Das Maritime Cluster Norddeutschland hat vor diesem Hintergrund schon vor einigen Jahren in dem Recycling von Fracht- und Passagierschiffen sowie von Offshore-Windkraftanlagen ein lukratives Betätigungsfeld für die deutsche maritime Industrie identifiziert und in einer ganzen Reihe von Veranstaltungen zur Diskussion gestellt.
Während eines MCN-Symposiums für Fachleute aus Wirtschaft und Verwaltung wurden dabei die rechtlichen Herausforderungen für Werften deutlich, die sich neben dem Neu- und Umbau von Schiffen auch der Verwertung von Alttonnage widmen wollen. „Wenn ein Schiff für einen Umbau oder eine Reparatur teilweise zerlegt wird, ist dies durch die vorhandene Betriebsgenehmigung abgedeckt“, erläuterte Dr. Susanne Neumann, Leiterin der MCN-Geschäftsstelle Niedersachsen in Elsfleth: „Wenn es jedoch um das vollständige Zerlegen geht, ist zusätzlich eine abfallrechtliche Erlaubnis erforderlich.“ Das notwendige Genehmigungsverfahren kann sehr aufwändig sein: „Angesichts der Bedeutung dieses neuen Arbeitsfeldes für die maritime Industrie, aber auch zur Rückgewinnung wichtiger Ressourcen, werden wir uns als MCN weiter für einen Dialog zwischen Genehmigungsbehörden und Wirtschaftsunternehmen mit dem Ziel einsetzen, gegenseitiges Verständnis zu fördern und wo möglich, Zulassungsvoraussetzungen zu vereinfachen – ohne die guten in Deutschland geltenden Umweltschutz- oder Arbeitsschutzstandards aufzuweichen. Hier arbeiten wir sehr gut bundesländerübergreifend zusammen“, betonte Neumann.
Studie anfordern
Die Studie „Übersicht zu den Regelwerken des Schiffsrecyclings aus Sicht eines Eigners“ können Sie über das nachfolgende Formular anfordern.
MCN Schiffsrecycling-Studie
Kontakt
Dr. Susanne Neumann, Geschäftsstellenleiterin Maritimes Cluster Norddeutschland, Geschäftsstelle Niedersachsen
04404 98786-15, susanne.neumann@maritimes-cluster.de