„Wir zeigen, wo Energieeinsparungen möglich sind“

Der Rostocker Forschungsdienstleister FVTR gewinnt für seine digitale Simulationsplattform „SimPleShip“ den MCN Cup 2025 in der Kategorie „Projekt“. CEO Dr. Martin Theile erläutert, wie damit Kreuzfahrtschiffe energetisch optimiert werden können und warum es manchmal klüger ist, auf KI-Modellierungen zu verzichten.
Ihr Projekt „SimPleShip“ wurde mit dem diesjährigen MCN Cup ausgezeichnet. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Mit SimPleShip haben wir eine digitale Simulationsplattform für hochkomplexe Schiffe entwickelt. Wir können auf ihr unter anderem das gesamte Energiemanagement eines Schiffes abbilden, verschiedene Szenarien durchspielen und dadurch den Betrieb optimieren. In der Praxis können wir dem Schiffsbetreiber dann beispielsweise Retrofit-Maßnahmen empfehlen, die zu einer spürbaren Kraftstoffeinsparung und damit geringeren Betriebskosten und Emissionen führen.
Was ist das Besondere an Ihrer Plattform?
Wir bauen digitale Zwillinge hochkomplexer Schiffe. Eine Besonderheit besteht darin, dass diese nicht auf KI-Modellierungen, sondern auf physikalischen Grundgleichungen basieren. Entscheidend ist dies, da KI-Modelle sich nicht im physikalischen Raum bewegen und dementsprechend nur nicht-physikalische, also ungenaue oder gar falsche, Ergebnisse produzieren können, die in der Praxis nicht zu gebrauchen sind. Weil SimPleShip physikalisch modelliert ist, können wir den Schiffsbetrieb in komplexen und dynamischen Szenarien, wie Hafenmanövern oder Schleuseneinfahrten, sehr zuverlässig modellieren und unsere Schlüsse daraus ziehen. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.
Ebenfalls besonders an unserer Plattform ist, dass wir den digitalen Zwilling in Form einer einfach zugänglichen grafischen Oberfläche aufbereiten und auch für Kunden nutzbar machen können, sodass diese ohne große Simulationskenntnisse und ohne anderweitige Software selbst Simulationen durchführen können.

Sie haben Ihre Plattform „SimPleShip“ getauft. Nun sind aber Kreuzfahrtschiffe, die Sie in erster Linie im Blick haben, alles andere als „einfache“ Schiffe. Warum liegt ihr Fokus auf diesen?
Wir fanden den Namen ganz passend und wollten auch unseren Anspruch unterstreichen, das Komplizierte einfacher zu machen. Ganz nach dem Motto: So einfach wie möglich, so komplex wie nötig. Kreuzfahrtschiffe sind aber in der Tat sehr komplex: Es gibt an Bord eine Vielzahl von Anlagen und viele Kilometer Rohrleitungen. Das ist von der Infrastruktur her vergleichbar mit der einer Kleinstadt. Aus Betreibersicht steht im Vordergrund, dass immer alles funktioniert: Einerseits aus Sicherheitsgründen, da Sicherheit immer an erster Stelle steht, andererseits aber auch aus Komfortgründen. Die Gäste müssen jederzeit warm duschen können, die Klimatisierung muss immer funktionieren – der Kundenkomfort steht absolut im Vordergrund. Diese Betrachtungsweise führt aber dazu, dass die unterschiedlichen Anlagen oft nicht abgestimmt aufeinander betrieben werden.
Wo entdecken Sie typischerweise Verbesserungspotenzial?
Abwärme ist ein gutes Beispiel. Jeder Schiffsmotor produziert Abwärme. Es wäre sinnvoll, diese zu nutzen, beispielsweise mit einer Absorptionskälteanlage, die dann fast kostenlos Kälte produziert. Auf unserem Versuchsträger war eine solche Absorptionskälteanlage tatsächlich vorhanden. Auf vielen Kreuzfahrtschiffen wird jedoch ausschließlich eine Kompressionskälteanlage genutzt, die im Vergleich einen höheren Strombedarf hat und höhere Kosten verursacht. Das ist in Hinblick auf ein effizientes Energiemanagement sehr nachteilhaft, aber so simple Dinge werden tatsächlich beim Bau komplexer Schiffe oft nicht berücksichtigt. Wir können das exakt modellieren und überzeugend aufzeigen, welche Optimierungen möglich und sinnvoll sind. Das ist unser Service. Im Endeffekt geht es immer darum zu zeigen, wo Energieeinsparungen und damit Betriebskostensenkungen möglich und sinnvoll sind.
Ein anderes Beispiel sind thermische Speicher, die analog zu elektrischen Speichern auf der Seite der thermischen Energieversorgung Lastverschiebung oder Lastspitzenvermeidung ermöglichen. Dieses Potenzial kann allerdings nur mithilfe physikalisch basierter, dynamischer Simulation analysiert werden.

Die FVTR wurden in der Kategorie „Projekt“ ausgezeichnet. Wo stehen Sie heute?
Wir haben einen intensiven Fünf-Jahres-Ritt hinter uns – von der Idee bis zum Abschlussbericht. Wir haben viele Tools für die Datenanalyse geschaffen und eine umfassende Modellbibliothek aufgebaut. Wir können unser Produkt heute schon als Dienstleistung anbieten. Gleichzeitig arbeiten wir daran, selbst noch besser und effizienter zu werden. Die Arbeit geht also weiter.
Welchen Stellenwert besitzt der MCN Cup für Sie?
Wir waren das erste Mal beim MCN Cup und haben ihn als sehr gute Möglichkeit zum Netzwerken wahrgenommen, wo viele Player der maritimen Branche zusammentreffen und Innovationen präsentieren. Auf das Gewinnen des Preises an sich sind wir natürlich sehr stolz. Er ist eine super Anerkennung für das ganze Team, das fünf Jahre mit Herzblut und großem Einsatz an diesem Projekt gearbeitet hat. Und diese Auszeichnung ist natürlich auch gegenüber potenziellen Kunden eine Werbung, denn eine hochkarätige unabhängige Jury hat den Mehrwert unserer Lösung mit dieser Auszeichnung bestätigt.
Über Dr.-Ing. Martin Theile
Dr.-Ing. Martin Theile ist seit 2022 CEO der Rostocker FVTR GmbH. Der an der Universität Rostock ausgebildete Maschinenbauer war zuvor unter anderem als Forschungsingenieur und als Teamleiter Angewandte Thermodynamik für das Unternehmen tätig. Die FVTR GmbH war 2007durch Professoren und leitende Ingenieure der Universität Rostock gegründet worden. Das Unternehmen agiert seitdem als unabhängiger Forschungsdienstleister in weiterhin enger Kooperation mit der Universität.
© Fotos: MCN / Sigrun Strangmann