„Wenn Schmieröl verdampft, kann es gefährlich werden“
Ein Team um Prof. Dr.-Ing. Leander Marquardt und Dr.-Ing. Heiner-Joachim Katke von der Hochschule Stralsund hat gemeinsam mit Kollegen des Rostocker Unternehmens Noris Automation das innovative und preisgünstige System NORISet für die Triebraumüberwachung großer Schiffsmotoren entwickelt. Dafür wurden sie mit dem MCN Cup 2023 in der Kategorie A „Betrieb von Bestandsschiffen“ ausgezeichnet.
MCN: Gratulation zum Gewinn des MCN Cups 2023! Welche Aufgabe haben Sie mit NORISet gelöst?
Marquardt: Unser Team hat ein innovatives und, wie wir meinen, durchaus attraktives System für die berührungslose Betriebsüberwachung von Pleuellagern in großen Schiffsmotoren entwickelt. Standardmäßig werden hierzu Ölnebeldetektoren oder Splashoil-Verfahren eingesetzt. Beide Methoden erfassen den Zustand der Lager nur indirekt. Die wenigen am Markt verfügbaren Systeme für eine direkte Betriebsüberwachung sind relativ preisintensiv.
MCN: Warum ist eine Überwachung dieser Lager so wichtig?
Katke: Wenn an einem heißlaufenden Lager Schmieröl verdampft, kann das sehr gefährlich werden. Das verdampfte Öl rekondensiert, wenn es abkühlt. Dabei bilden sich sehr feine Tröpfchen. Ein Hotspot von 200 Grad reicht dann, um eine Entflammung auszulösen. Die resultierende Druckwelle wird dabei hoffentlich über die Explosionsklappen abgeleitet, die jeder Schiffsmotor haben muss. Diese müssen aber anschließend auch wieder korrekt schließen. Durch die Explosion herrscht relativer Unterdruck im Triebraum. Wenn die Ex-Klappen dann nicht komplett schließen, kommt zusätzlicher Sauerstoff in den Triebraum und es gibt eine noch stärkere Sekundärexplosion. Menschen können durch herausgesprengte Motorteile schwer verletzt werden. Es ist auch nicht gesund, den Ölnebel einzuatmen. Im schlimmsten Fall kann es zu einem Maschinenbrand kommen. In solchen Fällen hat es schon Tote gegeben. Eine zuverlässige Triebraumüberwachung ist daher absolut notwendig.
MCN: Wie funktioniert Ihr System?
Katke: Die Grundlage für unser System bildet das Curie/Weiss-Gesetz. Pierre Curie – der früh verstorbene Ehemann der Nobelpreisträgerin Marie Curie – und Pierre-Ernest Weiss hatten beobachtet, dass Magneten schwächer werden, wenn man sie erwärmt. Da setzen wir an. Wir arbeiten mit Magneten, die wir am Pleuellager befestigen, und Sensoren, die jede Veränderung des Magnetfeldes erfassen. Wenn also ein Lager am Beginn eines Lagerschadens beginnt heißzulaufen und das Magnetfeld dadurch schwächer wird, erfasst dies das System und schlägt Alarm. Das Verfahren ist zuverlässig und darüber hinaus auch vergleichsweise kostengünstig.
MCN: Sie haben dieses Projekt gemeinsam mit der Noris Automation GmbH in Rostock vorangetrieben, die Produkte für die Schiffbau-Industrie entwickelt. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Marquardt: Die kam im Wesentlichen über einen persönlichen Kontakt zustande. Jochen Martin von Noris kannten wir schon lange aus vielen gemeinsamen Projekten. Die Zusammenarbeit war immer sehr erfreulich. Das ist eine gute Grundlage. Der Anstoß zu dem Projekt kam von Manfred Grigo. Der ist eigentlich schon Rentner, arbeitet aber weiter frei für Noris und wird immer mal wieder mit einer guten Idee vorstellig. Der Kontakt bestand also, und wir waren mit unserer Laborausstattung und unserem Einzylinder-Forschungsmotor in der Lage, die Idee umzusetzen. Die Teamarbeit war dann wieder sensationell gut.
MCN: Ist Ihre Entwicklung marktreif?
Marquardt: So gut wie. In unserem Labor läuft das System einwandfrei. Jetzt suchen wir noch einen Motorenhersteller für eine Felderprobung. Das muss kein Schiffsmotor sein. Ideal wäre ein Dauerläufer, auf dem wir unser System 5.000 Stunden laufen lassen können. Ein Kraftwerksmotor wäre ideal. Wir müssen jemanden finden, der das System im Dauerbetrieb ausprobieren will. Als Hochschule können wir das allein nicht leisten. Der Prototyp ist bei uns noch aufgebaut, und wer Interesse hat, ist herzlich eingeladen, bei uns in Stralsund vorbeizukommen. Kaffee und Gebäck gibt es immer.
Über Prof. Dr.-Ing. Leander Marquardt und Dr.-Ing. Heiner-Joachim Katke
Prof. Dr.-Ing. Leander Marquardt ist Professor für Kolbenmaschinen und Thermodynamik an der Hochschule Stralsund.
Dr.-Ing. Heiner-Joachim Katke ist Projekt-Ingenieur im Labor Kolbenmaschinen und Thermodynamik an der Hochschule Stralsund.
© Fotos: MCN / Marc Matthaei