„Weniger Gewicht bedeutet geringeren Energieverbrauch“

Die Lübecker BALTEC Offshore GmbH gewinnt den MCN Cup 2025 in der Kategorie „Konzept“. Der Firmengründer und geschäftsführende Inhaber Stefan Schulz erläutert, warum er für den Schiffbau von morgen auf innovative Kunststoffmaterialien setzt.
Traditionell setzt der Schiffbau auf Stahl. Sie gehen einen anderen Weg und plädieren für Kunststoff. Warum?
Die neuen flammhemmenden FR-Kunststoffe (Fire Retardant) ermöglichen es uns, deutlich leichtere Schiffe zu bauen. Und weniger Gewicht bedeutet geringeren Energieverbrauch. Die Gewichtsreduzierung ist der Schlüssel: Ein leichteres Schiff spart im Betrieb enorme Mengen Kraftstoff.
Welche Gewichtseinsparungen lassen sich durch die Verwendung von Kunststoff realistisch erzielen?
Wir können heute Schiffe aus solchen FR-Kunststoffen bauen, deren Rümpfe nur ein Drittel eines vergleichbaren Stahlschiffs wiegen. Gegenüber Aluminium liegt die Einsparung immer noch bei rund 50 Prozent. Je nach Schiffstyp kann das allerdings deutlich variieren. Besonders Fähren, die eine viel geringere Nutzlast als beispielsweise Massengutfrachter haben, bieten großes Potenzial. Hier kann die Gewichtseinsparung gegenüber Aluminiumschiffen sogar bis zu zwei Dritteln betragen.
Was bedeutet das für Energiebedarf und Emissionen?
In Größe und Form vergleichbare Schiffe aus FR-Kunststoffen verbrauchen im Betrieb nur etwa die Hälfte der Energie wie ein Aluminiumschiff. Das ist ein erheblicher Unterschied in Hinblick auf Kosten und Emissionen. Bei Elektrofähren gibt es noch einen zusätzlichen Effekt: Durch das geringere Gewicht und den dadurch deutlich reduzierten Energieverbrauch kommen sie mit viel kleineren Batterien aus, was Kosten und Gewicht weiter senkt. Aber auch klassische Antriebe profitieren deutlich.

Kritiker führen häufig den Brandschutz als Gegenargument an. Ist das berechtigt?
Nein. Der Satz „Kunststoff brennt und Stahl nicht“ ist in dieser Pauschalität überholt. Die in unserem Schiffbau genutzten modernen FR-Kunststoffverbundstoffe sind deutlich sicherer geworden und erfüllen die heute im Schiffbau geltenden Brandschutzvorgaben problemlos. Unsere Sandwichplatten besitzen eine von Natur aus hohe Isolationswirkung und leiten Wärme sehr schlecht. Zusätzliche Isolierung ist daher oft kaum notwendig.
Wir haben das selbst getestet: Wenn ich mit einem Schweißbrenner auf die Platte halte, bleibt die Rückseite zunächst völlig unbeeindruckt. Selbst bei gemessenen 200 Grad konnte ich die Fläche kurz mit der Hand berühren, ohne mich zu verbrennen – bei Stahl wäre das undenkbar, da bliebe die Haut kleben. Viele moderne Kunststoffmaterialien haben sich auch bereits im Flugzeugbau bewährt, wo aus guten Gründen extrem hohe Sicherheitsstandards gelten.
Ihr Unternehmen kommt ursprünglich aus dem Yachtbau, wo Formen genutzt werden. Für große Schiffe wäre das kaum praktikabel, oder?
Technisch wäre es möglich, wirtschaftlich ist dies aber kaum sinnvoll. Deshalb arbeiten wir – ähnlich wie der Stahlbau – mit Platten. Unsere Platten sind so groß, dass sie gerade noch auf der Straße transportiert werden können. Diese Platten werden nicht geschweißt, sondern verklebt. Dafür haben wir eine eigene Maschine entwickelt, die schneller arbeitet, als wir schweißen könnten. Das Verfahren ist effizient und präzise.
Für welche Schiffgrößen eignet sich die Kunststoffbauweise?
Wir haben durchentwickelte Konzepte bis 120 Meter Länge. Aus heutiger Sicht halte ich Kunststoffbau bis etwa 150 Meter für realistisch. Weltweit wird intensiv geforscht; was in zehn Jahren möglich sein wird, lässt sich heute kaum abschätzen.
Die Schifffahrtsbranche gilt als konservativ. Wie reagieren Werften und Reeder auf Ihren Ansatz?
Die Branche ist vielleicht vorsichtig – aber sie rechnet sehr genau. Und die Betriebskosten eines leichten, energieeffizienten Schiffs sind ein starkes Argument. Wir glauben deshalb, dass sich diese Bauweise durchsetzen wird. Unsere eigene Werft war für größere Projekte allerdings zu klein; wir konnten nur bis 24 Meter bauen. Daher liegt unser Fokus derzeit klar auf Entwicklung und Engineering.
Über Stefan Schulz
Stefan Schulz ist Managing Director der von ihm 2015 gegründeten BALTEC Offshore GmbH. Das in Lübeck ansässige Unternehmen mit Wurzeln im Yachtbau hat sich auf das Design und Engineering von Leichtbauschiffen aus Verbund- und Sandwichmaterialien spezialisiert.
© Fotos: MCN / Sigrun Strangmann