Wasserstoff in der Schifffahrt: Zwischen Vision und Realität

Workshop „H2 an Bord – Hype oder Hoffnung?“ am 9. Oktober 2025 in Bremen
Bremen, 09.10.2025 – Im Rahmen des Workshops „H2 an Bord – Hype oder Hoffnung?“ diskutierten Fachleute aus Industrie, Forschung und maritimer Wirtschaft über die Potenziale und Herausforderungen der direkten Wasserstoffnutzung in der Schifffahrt. Die Veranstaltung wurde vom Maritimen Cluster Norddeutschland (MCN) in Kooperation mit der ArianeGroup und dem EU-Projekt NavHyS organisiert und fand im Innovationszentrum ECOMAT in Bremen statt.
Rund 30 Teilnehmende erhielten spannende Einblicke in aktuelle Projekte, technische Lösungen und Marktentwicklungen rund um den Einsatz von Wasserstoff als maritimen Energieträger. Im Fokus standen vor allem verschiedene Speichertechnologien von Wasserstoff und deren perspektivische Einsatzmöglichkeiten in der Schifffahrt. Zudem wurde dargelegt, wie sich die Nutzung von Wasserstoff im Vergleich zu alternativen Kraftstoffen wie Methanol, Ammoniak oder synthetischem Methan unterscheidet und wo in Abgrenzung zu den Wasserstoff-Derivaten Chancen und Risiken liegen.
Ein Highlight der Veranstaltung war die Besichtigung der Fertigungsanlagen der ArianeGroup für die Oberstufe der Ariane-6-Rakete, bei der die Teilnehmenden den Einsatz von Flüssigwasserstoff in der Raumfahrt hautnah erleben konnten.
Vergleich mit Wasserstoff-Derivaten, Speichertechnologien, und Markthochlauf

Henning Edlerherr (MCN) stellte in seiner Einführungspräsentationen einen Vergleich alternativer Brennstoffe vor und zeigte auf, dass Wasserstoff, trotz aller technischen Bedenken und Herausforderungen unter bestimmten Bedingungen einen Platz in der Reihe der alternativen Brennstoffe für die Schifffahrt finden kann – nämlich dann, wenn man die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt. „Wasserstoff ist eine interessante Option, wenn eine verfügbare Wasserstoff-Quelle am Haupt-Bunkerhafen bereits vorhanden oder vorgesehen ist“, erklärte Edlerherr.
Elisabeth Loeffelholz von Colberg (ArianeGroup) präsentierte das Projekt NavHyS zur Nutzung von Flüssig-H2, welches durch die ArianeGroup als Lead-Partner angeführt wird. Ziel des Projektes ist es, ein Offshore-Schiff, ein sog. Service-Operation-Vessel (SOV), für den Betrieb mit Wasserstoff vorzubereiten und den Aufbau einer Versorgungsinfrastruktur mit dem Projektpartner Engie zu untersuchen. Eine Besonderheit des schiffbaulichen Konzepts, welches durch das norwegische Konstruktionsbüro VARD erarbeitet wird, sind die unter Deck befindlichen Flüssigwasserstofftanks, die ein absolutes Novum im Schiffbau darstellen.
Bereits Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung von wasserstoffbetriebenen Schiffen hat die Argo-Anleg GmbH aus Wesel gesammelt. Das Unternehmen berichtete über aktuelle Projekte im Bereich der Druckgasspeicherung von Wasserstoff und der Nutzung von Cryo-Tanks sowie über Praxiserfahrungen mit dem Wasserstoff-Schubschiff „Elektra“. Das Unternehmen wurde in der Vergangenheit von ehemaligen ArianeGroup-Mitarbeitern gegründet.
Eine gänzlich andere Speichertechnologie stellte Stefan Krahn (Baumüller Anlagen-Systemtechnik GmbH) vor. Baumüller ist Partner im europäischen Verbundprojekt „ReShip“, bei dem es unter anderem darum geht, die revolutionäre Flüssigträger-Technologie „HydroSil“ von HSL-Technologies für Schiffsneubauten, Retrofits und Binnenschiffe zu nutzen.Im Gegensatz zu den als LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) bekannten Wärmeträgerölen setzt HSL-Technologies auf eine anorganische Trägerflüssigkeit in Form eines Siliciumhydrid-Derivats. Der Vorteil liegt in der drucklosen Speicherung bei Raumtemperatur und dem daraus resultierenden einfachen Handling.

Ähnliche Zielsetzungen verfolgt die Dresdner AmBARtec AG, die Frank Claassen vorstellte. Hier soll Wasserstoff allerdings nicht in einer Trägerflüssigkeit, sondern in einem Metall gespeichert werden. Die HyCS-Technologie beruht auf der Reduktion und Oxidation von Eisen (Fe): Bei der Speicherbeladung wird das Eisenoxid durch den zugeführten Wasserstoff reduziert. Wasserdampf wird abgegeben und kann erneut in der Elektrolyse genutzt werden. Bei der Entladung wird am Nutzungsort Wasserdampf zugeführt, der auch aus dem Abgas einer Rückverstromungseinheit kommen kann. Dadurch oxidiert das Fe und H₂ wird zur Verfügung gestellt.
Das Thema Rückverstromung des Wasserstoffs wurde von Josefin Klindt (E-Cap Marine GmbH) thematisiert. Das Unternehmen bietet Brennstoffzellentechnologien an, die für den Einsatz im rauen maritimen Einsatz vorgesehen und bewährt sind – unter anderem auf dem Offshore-Versorgungschiff „Coastal Liberty“. Laufende Projekte sind die Ausstattung eines H2-Containerschiffes für die niederländische Container-Linienreederei Samskip und eines Bulk-Carriers.
Im anschließenden Workshop wurden in einer Zukunftswerkstatt konkrete Herausforderungen und Lösungsansätze für die Integration von Wasserstofftechnologien in die maritime Praxis diskutiert, mit dem Ziel, eine gemeinsame Vision zu entwickeln.
Fazit:
Die direkte Nutzung von Wasserstoff in der Schifffahrt ist zwar mit technischen und infrastrukturellen Hürden verbunden, bietet jedoch langfristig großes Potenzial für eine klimafreundliche maritime Zukunft – zumindest für bestimmte Schiffstypen und Fahrtgebiete. Die Veranstaltung zeigte deutlich: Die Branche ist in Bewegung und Wasserstoff könnte ein zentraler Baustein der Energiewende auf See werden. Denn: Bereits totgesagte Technologien leben manchmal doch länger als erwartet.