Im Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Meeresschutz
Konferenz auf Norderney lenkt den Blick auf künftige Antifouling-Beschichtungen
Langfristig können Giftstoff- und Mikroplastik-Emissionen aus Unterwasserbeschichtungen von Schiffen und Booten nur durch biozidfreie und abriebfeste Materialien sowie eine regelmäßige Reinigung verringert werden. Erste Schritte sind aber bereits getan. Das ist auf der 2. Antifouling Konferenz auf Norderney deutlich geworden. Auf der gemeinsamen Veranstaltung des Maritimen Clusters Norddeutschland (MCN) und der Initiative GreenShipping Niedersachsen mit dem Institut für Antifouling und Biokorrosion Dr. Brill+Partner, dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sowie dem Deutschen Seglerverband (DSV) und dem Deutschen Motoryachtverband (DMYV) gaben Fachleute aus Schifffahrt, Wissenschaft und der maritimen Wirtschaft einen Überblick über die aktuelle Situation in diesem seit Jahrzehnten diskutierten Thema.
Seit dem Verbot von Tributylzinn-haltigen Beschichtungen (TBT) für Sportboote (1989) und für die Berufsschifffahrt (2003) hat die chemische Industrie zahlreiche neue Mittel für den Schutz der Rümpfe vor Bewuchs (englischer Fachbegriff Fouling) entwickelt. „Nach dem TBT-Verbot waren über 20 Jahre lang kupferhaltige Beschichtungen der Goldstandard“, erläuterte Institutsleiter Bernd Daehne zum Auftakt der Konferenz. Die Forschung konzentrierte sich laut Daehne in dieser Zeit darauf, den Anteil solcher giftigen Stoffe - so genannte Biozide - bei mindestens gleicher Wirkung zu reduzieren. Aber auch auf diesen Beschichtungen bildet sich ein Biofilm, der den Treibstoffverbrauch um bis zu 25 Prozent erhöhen kann. Daher wird nun nach neuen Lösungen gesucht. Biozidfreie Hartbeschichtungen in Kombination mit einer regelmäßigen Reinigung können eine umweltschonende Lösung sein. Dabei kommt es zwar nicht mehr zu einem Abrieb und Eintrag von Bioziden, aber es kann Mikroplastik abgerieben werden, das aufgesaugt werden muss. Eine solche Infrastruktur aus Hartbeschichtungen, Reinigungstechnologien und Auffangsystemen muss lokal für Sportboote und weltweit für Handelsschiffe erst aufgebaut werden. Antifouling-Maßnahmen dienen vor allem einem verringerten Treibstoffverbrauch und damit dem Klimaschutz. Der Schutz der marinen Umwelt bleibe aber auf der Strecke. Für Daehne stellt sich deswegen die Frage: „Wie können wir Schiffsrümpfe UND Meeresumwelt bestmöglich schützen?“
Komplexes Geflecht von Regulierungen und internationalen Zuständigkeiten
Die Suche nach einer Lösung führt die maritime Wirtschaft und Wissenschaft sowie den Wassersport in ein komplexes Geflecht aus internationalen Zuständigkeiten, Regulierungsansätzen, Richtlinienentwürfen und Gremien. Den Teilnehmenden der Norderney-Konferenz gab Dr. Nicole Heibeck einen Überblick über die vielfältigen Regelungen. Sie ist im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie für die Thematik zuständig und wendet sich mit einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit vor allem an den Sportbootsektor. „Unser Ziel ist eine Sensibilisierung und Aufklärung“ erläuterte sie während der Tagung. Jüngstes Kommunikationsmittel des BSH ist digitaler e-learning Kurs, der in fünf Videosequenzen die Thematik verständlich darstellt und eine Anleitung zum sorgsamen Umgang mit Antifouling-Mitteln gibt. Wer zum Abschluss einen kurzen Fragebogen richtig ausfüllt, bekommt vom BSH eine personalisierte Teilnahmebescheinigung.
In Verbindung mit einer regelmäßigen Reinigung können abriebfeste Beschichtungen und - mit gewissen Abstrichen - so genannte Foul-Release-Coatings die nächsten Schritte in der Entwicklung des Antifoulings darstellen. Darauf deuten Ergebnisse eines Forschungsvorhabens hin, die das BSH auf der Norderney-Konferenz präsentierte. Wissenschaftler hatten Abriebproben vom Rumpf des Forschungseisbrechers „Polarstern“, des Bundespolizei-Schiffes „Bad Düben“ sowie des BSH-Vermessungsschiffes „Wega“ entnommen. Die Hartbeschichtung der „Polarstern“ gab demnach keine Partikel ins Wasser ab; das Foul-Release-Coating des Polizeischiffes führte nur zu geringen Belastungen; der mit klassischem, bioziden Weich-Antifouling beschichtete Rumpf der „Wega“ führte zu erheblichen Belastungen des Umgebungswassers. Bei den Foul-Release-Produkten handelt es sich um dauerhafte Beschichtungen zumeist auf Silikon-Basis.
Wissenschaft und Unternehmen auf der Suche nach sauberen Beschichtungen
Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten seit kurzem an der Entwicklung einer selbstpolierenden Schiffsbeschichtung aus biologisch abbaubaren Bestandteilen. Das ist das Ziel des unter anderem von Dr. Brill + Partner sowie dem Fraunhofer IFAM Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung wissenschaftlich begleiteten „BioSHIP-Projekts“. Erste Feldtests unter anderem vor Norderney und Helgoland, in der Weser bei Bremen sowie im Mittelmeer und vor Tasmanien zeigen, dass ein Bewuchs zwar nicht verhindert, aber relativ einfach mit rotierenden Bürsten entfernt werden kann. Allerdings sind die beprobten Beschichtungen bislang nur zum Teil biologisch abbaubar - die Versuchsreihen sind aber nur der Anfang einer Entwicklung, an deren Ende neue Farben und Beschichtungen stehen sollen.
Auch Farbenhersteller wie das Kleinunternehmen BAJO Coatings aus Hatten bei Oldenburg befassen sich mit der Entwicklung neuartiger Beschichtungen. Inhaber Martin Kaune arbeitet an einer Ein-Komponenten-Foul-Release-Beschichtung, die dünnschichtig und widerstandsfähig sowie möglichst für mehrere Jahre haltbar sein soll. Im Vergleichstest mit seinen eigenen klassischen biozid-haltigen Antifoulings sowie Referenzprodukten auf Kupfer- oder Algizid-Basis zeigten seine neuen Mischungen nach 80 Tagen Auslagerungszeit eine vielversprechende Wirkung, berichte Kaune auf Norderney.
Schweizer Entwickler will Waschanlage im Hafenbecken installieren
Der Schweizer Unternehmer Dominik Kägi will dazu beitragen, dass Antifouling-Beschichtungen vollständig überflüssig werden. In seinem Vortrag auf Norderney präsentierte er eine Bootswaschanlage, in der unbeschichtete Sportbootrümpfe regelmäßig von Biofilm und Bewuchs gereinigt werden können. Bei der Entwicklung von SWISS ELEMENTIC handelt es sich um ein im Hafen installiertes Becken, das nach der Einfahrt eines Bootes hermetisch gegen die Wasserumgebung abgeschottet werden kann. In dem Becken werden die schwimmenden Rümpfe nach dem Vorbild einer Autowaschanlage durch rotierende Bürsten gereinigt. Das Beckenwasser wird zwar verunreinigt, soll aber vor dem Öffnen der Ausfahrt von in das System integrierten Filteranlagen gereinigt werden. Ein 16 Meter langes Boot wird Kägis Angaben zufolge innerhalb von 30 Minuten gesäubert.
Wenn das anfallende Schmutzwasser vollständig abgesaugt und gereinigt werden kann, könnte in solchen Systemen die Zukunft des Antifoulings liegen, zeigte sich Bernd Daehne auf der Norderney-Konferenz optimistisch. Auch für erheblich größere Berufsschiffe ist die Reinigung nach Daehnes Überzeugung eines Tages die Lösung für Meeres- und Klimaschutz zugleich. Die Arbeit könnte nach dem derzeitigen Stand der Überlegungen nicht nur von Tauchern, sondern auch von ferngesteuerten Robotern im Hafen oder sogar während der Fahrt von autonom operierenden Unterwasserfahrzeugen geleistet werden. Allerdings müssten bis dahin noch erhebliche Forschungsarbeiten geleistet und die Weichen für die notwendigen Genehmigungsverfahren gestellt werden.
„Die Norderney-Konferenz hat gezeigt, dass die Zukunft des Antifoulings in biozidfreien, abriebfesten Beschichtungen und innovativen Reinigungslösungen liegt“, sagt Violetta Arndt, Projektmanagerin in der MCN-Geschäftsstelle Niedersachsen. „Wir sehen unsere Rolle darin, die relevanten Akteurinnen und Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Behörden zusammenzubringen, neue Ideen zu fördern und gemeinsame Projekte auf den Weg zu bringen. Nur wenn wir alle Perspektiven vereinen, können wir Lösungen entwickeln, die Klima- und Meeresschutz gleichermaßen dienen.“