Fünf Fragen an … Juliana Schmidt-Theurer

Juliana Schmidt-Theurer ist Gründerin und Geschäftsführerin der Bremer Visiomare GmbH. Search and Rescue ist ihr berufliches Lebensthema. Heute trainiert sie Behördenmitarbeitende und Sportschiffer:innen für den Seenotfall – oder wie sie diesen idealerweise von vorneherein vermeiden.
Frau Schmidt-Theurer, nach einigen Jahren als Offizierin auf hoher See und verschiedenen Stationen an Land bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger wagten sie 2022 mit Visiomare den Schritt in die Selbständigkeit. Was motivierte Sie dazu, diesen Weg zu gehen?
Die Idee entstand tatsächlich durch meine langjährige Tätigkeit bei der Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, wo ich in der Leitstelle und später als Einsatzleiterin gearbeitet habe. Search and Rescue (SAR), also Suchen und Retten, war mein großes Thema. In dieser Zeit wurde mir bewusst, wie viele Einsätze die Seenotretter jedes Jahr fahren – mehrere tausend, wie der Jahresbericht regelmäßig zeigt. Und auch wenn es unsere Aufgabe war, im Ernstfall bestmöglich zu helfen, habe ich mich oft gefragt: Was wäre, wenn es gar nicht erst so weit käme?
Denn Seenotrettung beginnt erst, wenn der Notfall bereits eingetreten ist. Ich wollte früher ansetzen – mit praxisnahen Trainings, die Menschen helfen, Gefahrensituationen besser zu erkennen, zu vermeiden und im Ernstfall richtig zu handeln. Heute trainiere ich neben Mitarbeitern von Behörden, wie der Bundespolizei See, dem Zoll oder der Feuerwehr, auch viele Segler und Motorbootfahrer.
Welche Schwerpunkte setzen Ihre Kurse?
Es geht um Sicherheit auf See. Im Zentrum steht bei mir die Koordination von Seenotrettung, nicht nur der Funk. Ein Fokus liegt auf der Schulung des On-Scene-Coordinators – also jener Person, die bei größeren Seenotfällen wie Kollisionen oder Personen über Bord vor Ort die Einsätze leitet. Das kann eine sehr komplexe und anspruchsvolle Aufgabe sein, auf die unsere Kurse gezielt vorbereiten. Unsere Inhalte basieren dabei auf den internationalen Standards der Weltschifffahrtsorganisation IMO und den Vorgaben des dreibändigen International Aeronautical and Maritime Search and Rescue (IAMSAR) Manual. Da es für Nicht-SAR-Organisationen normalerweise schwer ist, an solche Trainings zu kommen, schließe ich mit Visiomare eine Lücke.
Wie groß ist das Interesse der Freizeitschifffahrt an Ihren Angeboten?
Ein gewisses Interesse ist da, aber oft fehlt doch das Problembewusstsein. Viele Segler denken, „mir passiert schon nichts“. Besonders auffällig ist, dass oft der Eigner segelt und die Partnerin nur „mitfährt“. Im Ernstfall – etwa bei einem medizinischen Notfall oder Mann-über-Bord – fehlt dann das nötige Wissen. Ich möchte hier gezielt Aufklärungsarbeit leisten, auch mit Blick auf unterschiedliche Fahrtgebiete. Denn Unfälle passieren nicht nur bei Sturm, sondern oft bei gutem Wetter und kleiner Unachtsamkeit.
Wie gestalten Sie Ihre Kurse – vor Ort oder online?
Beides. Ich arbeite mit einer Hybridlösung: zehn Personen vor Ort in Bremen und gleichzeitig Online-Teilnehmer über Videokonferenz. So kann ich flexibel auf die Bedürfnisse eingehen. Wichtig ist mir dabei, dass die Online-Teilnehmer ihre Kameras anlassen, damit ich direktes Feedback bekomme und auch erkenne, wenn die Teilnehmer müde werden und wir vielleicht eine Pause machen sollten. Am Ende erhalten alle Teilnehmer ein Handout, das sie als „Einsatzhandbuch an Bord“ nutzen können – inklusive Teilnahmebescheinigung und praktischer Materialien.
Was war Ihre Motivation, Mitglied im Maritimen Cluster Norddeutschland (MCN) zu werden?
Ich sehe im MCN eine wertvolle Plattform, um mit unterschiedlichsten Akteuren der maritimen Branche in den Austausch zu kommen – ob Reedereien oder Unternehmen im Bereich maritimer Sicherheit und Notfallmanagement. In vielen dieser Bereiche ist Sicherheit und präventive Seenotrettung relevanter, als oft angenommen wird.
Ein besonderer Fokus liegt für mich auch auf der Offshore-Branche. Gerade in Windparks gibt es spezifische Herausforderungen in der medizinischen Versorgung und bei Notfällen auf See. Ich möchte dort das Thema Suche und Rettung stärker einbringen – zum Beispiel bei Personen-über-Bord-Manövern beim Crew-Transfer. Der Austausch über das Netzwerk könnte hier wichtige Impulse für mehr Sicherheit geben.
Über Juliana Schmidt-Theurer
Juliana Schmidt-Theurer (33) schloss ein Nautikstudium in Bremen als Diplom-Wirtschaftsingenieurin für Seeverkehr ab. Anschließend ging sie als Offizierin auf dem Kreuzfahrtschiff „MS Bremen“ auf große Fahrt, absolvierte unter anderem die Nord-Ost- sowie Teile der Nord-West-Passage. Danach war sie bei Bremen Rescue Radio zuständig für die Funküberwachung (Kanal 16) in der Nord- und Ostsee. Ab November 2019 war Juliana Schmidt-Theurer als Einsatzleiterin des Maritime Rescue Coordination Centers und als Ausbilderin der Seenotretterin der DGzRS tätig, bevor sie sich 2022 mit der in Bremen ansässigen Visiomare GmbH selbständig machte.