Fünf Fragen an … Arne Kraft und Alexander Jeschke
Die Bremer marinom GmbH hilft maritimen Unternehmen, autonome Systeme aufs Wasser zu übertragen. Arne Kraft und Alexander Jeschke, gemeinschaftliche Gründer und Geschäftsführer, erläutern, wie sie ihre Kunden ertüchtigen, welche Vorteile ein kleines Unternehmen hat und warum marinom keinen Fachkräftemangel kennt.
MCN: Sie haben 2020 gemeinsam marinom gegründet. Woher nahmen Sie den Optimismus, ausgerechnet in der Corona-Krise ein Unternehmen aufzubauen?
Kraft: Der Gedanke, gemeinsam ein Unternehmen zu gründen, hatte uns bereits länger bewegt. Wir kannten und mochten uns schon aus gemeinsamen Unizeiten. Nach dem Studium ist dann jeder seinen eigenen Weg gegangen, wobei wir uns aber nie aus den Augen verloren haben. Später, als promovierte Physiker, kamen wir dann wieder zusammen und die Idee, uns mit einer eigenen Firma selbständig zu machen, nahm konkrete Formen an. Wir sagten uns, dass, wenn das Geschäft zu Corona-Zeiten läuft, es anschließend erst recht funktionieren würde, und legten los.
Jeschke: Eine Firma gründet man nicht aus Jux. Man braucht die richtige Idee, und die hatten wir. Wir wollten unsere Expertise in den Dienst der maritimen Wirtschaft stellen und unseren Kunden helfen, maßgeschneiderte Lösungen für ihre Aufgaben zu finden. Da wir keine Träumer sind, war uns auch klar, dass wir ein Startkapital brauchen würden. Deshalb holten wir die Bremer Aufbaubank ins Boot.
MCN: Sie haben sich dann auf autonome Systeme für die maritime Branche spezialisiert. Warum?
Kraft: Das hat unter anderem mit meinem Werdegang in maritimen Unternehmen zu tun. Für mich war früh erkennbar, dass auch der maritime Sektor immer technologielastiger wurde. Viele kleine und mittlere Unternehmen in der Schifffahrt sind mit dieser Entwicklung aber überfordert. Ihnen fehlen oft das Know-how und die Mittel, um zusätzliches Personal für diesen anspruchsvollen technologischen Wandel einzustellen. Diesen Unternehmen helfen wir mit unseren Teams, die für sie maßgeschneiderten Lösungen zu entwickeln.
Jeschke: Das Thema Autonomes Fahren und Assistenzsysteme lag für uns auf der Hand. Den Trend dazu sehen wir ja in vielen Bereichen. Die technische Umsetzung von autonomen Systemen ist auf See aber viel anspruchsvoller als beispielsweise auf der Straße, wo es Verkehrsschilder, Spurbegrenzungen, ein stabiles G5-Netz und vieles mehr gibt.
MCN: Mit heute rund 35 Mitarbeitenden sind Sie immer noch ein kleines Unternehmen. Wie bestehen Sie im Wettbewerb mit den großen Akteur:innen der Autonomen Systeme oder der Künstlichen Intelligenz?
Jeschke: Unsere Größe ist tatsächlich eher ein Vorteil. Wir beschäftigen fast nur technische Entwickler und haben keinen bürokratischen Wasserkopf. Das macht uns sehr schlagkräftig.
Kraft: Gegenüber großen Systemanbietern haben wir auch den Vorteil, dass wir oft preisgünstiger sind. Wir verkaufen ja kein Produkt, sondern entwickeln als Enabler gemeinsam mit unseren Kunden maßgeschneiderte Lösungen. Dafür wählen wir aus am Markt vorhandenen Komponenten nur das aus, was der Kunde wirklich braucht. Typischerweise stellen wir dann noch die Schnittstellen zwischen Hard- und Software her. Ein gutes Beispiel für diesen Ansatz ist die autonome Fähre „Schuppi“. Das ist ein Gemeinschaftsprojekt von uns, unter anderem mit dem Land Bremen und der Lloyd Werft Bremerhaven. Die autonome Steuerungstechnik für dieses Fahrzeug passt in eine kleine Box. Einen Demonstrator haben wir schon erfolgreich getestet, voraussichtlich ab 2026 wird die autonome Fähre dann Fahrgäste in Bremerhaven von einer Seite des Hafenbeckens auf die andere transportieren. Autonom macht auch deswegen Sinn, weil Schiffsführer immer knapper werden.
MCN: Wie stark trifft dieser Fachkräftemangel, der viele Unternehmen in ihrer Entwicklung hemmt, Sie selbst?
Jeschke: Gar nicht. Wir haben unsere Belegschaft jährlich ungefähr verdoppelt, und erfreulicherweise erleben wir auch aktuell einen großen Zulauf. Wir erhalten von unseren Mitarbeitern das Feedback, dass es Spaß macht, bei marinom zu arbeiten. Das liegt wohl vor allem daran, dass wir unsere Leute das machen lassen, was sie am besten können. Ein Entwicklungsingenieur wird bei uns vor allem entwickeln. Er wechselt nicht nach Ende des Projekts in den Service, sondern darf im nächsten Projekt wieder das machen, was er am liebsten tut: entwickeln. Außerdem hat bei uns jeder die Chance, mit jedem neuen Projekt zusätzliche Kompetenz und neues Wissen zu erarbeiten. Auch das motiviert.
MCN: Wie wichtig ist für Sie das Mitwirken in Netzwerkorganisationen wie dem Maritimen Cluster Norddeutschland?
Kraft: Netzwerken ist für uns extrem wichtig. Wir überlegen uns aber sehr genau, bei welchem Verein und bei welchen Dingen wir mitmachen. Viele derartige Einrichtungen sind Zeiträuber, und gut frühstücken können wir auch zuhause. Das Maritime Cluster Norddeutschland dagegen ist für uns tatsächlich sehr wertvoll. Werften, Reedereien, Elektronikunternehmen, Forschungseinrichtungen – unsere gesamte „Nahrungskette“ ist hier vertreten. Wir finden immer die richtigen Ansprechpartner. Das Cluster bietet auch ein gutes Forum, um kleine und mittelständische Unternehmen, die den nächsten Schritt in der Technologieentwicklung nicht allein zu gehen wagen, auf uns aufmerksam zu machen. Das Networking reicht manchmal sogar über den maritimen Bereich hinaus. So konnten wir in diesem Jahr auf der Kieler Woche vor Audi Vorträge halten. Die schienen sich sehr dafür zu interessieren, was wir machen.
Über Dr. Arne Kraft und Dr. Alexander Jeschke
Dr. Arne Kraft ist promovierter Physiker und Mitbegründer sowie Geschäftsführer der marinom GmbH. In seiner beruflichen Laufbahn hat er sich intensiv mit mobilen autonomen Systemen und deren praktischer Anwendung im maritimen Bereich befasst. Als Leiter der Forschungsabteilung bei ATLAS ELEKTRONIK GmbH und später als Programmleiter für unbemannte maritime Systeme und Autonomie bei tkMS hat er tiefgehende Kenntnisse in Sensorik und Systemeigenschaften für Autonomie und KI erworben. 2020 gründete er zusammen mit Alexander Jeschke die marinom GmbH.
Dr. Alexander Jeschke ist promovierter Physiker und Patentanwalt sowie Mitbegründer und Geschäftsführer der marinom GmbH. Er hat umfangreiche Erfahrungen in der Industrie und in der Beratung von Start-ups und etablierten Unternehmen gesammelt. Neben seiner Tätigkeit als geschäftsführender Partner einer Patentanwaltskanzlei hat er ein ERP-System eingeführt und ist Pionier des elektronischen Arbeitens. Alexander Jeschke ist u. a. für Personal, IT, Marketing und Controlling verantwortlich.