Onboard-Event gibt Impulse für Verbesserung des Schiffsbetriebs
Wie sieht der vollelektrische Betrieb einer Fähre in der Zukunft aus? Wie können alternative Leuchtmittel die Energieeffizienz verbessern? Wie lassen sich Blindfahrten vermeiden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der aktuellen Veranstaltung des Maritimen Clusters Norddeutschland (MCN). An Bord der Scandlines Hybridfähre „Schleswig-Holstein“ haben sich Interessierte von Werften, Zulieferbetrieben und Reedereien sowie aus der MCN-Fachgruppe Schiffseffizienz über das zukunftsweisende Thema praxisnah im laufenden Betrieb informiert. Die Fahrt führte am Dienstag, 29. April, von Puttgarden nach Rødby und zurück.
„Ich freue mich sehr, dass so viele Teilnehmende aus verschiedenen Segmenten der maritimen Industrie unserer Einladung gefolgt sind“, sagte Oliver Malmström, MCN-Geschäftsstellenleiter in Mecklenburg-Vorpommern. Unter dem Titel „Schiffseffizienz – Emissionsminderung durch Retrofit und Elektrifizierung“ gaben verschiedene Referenten mit Fachvorträgen spannende Einblicke in Möglichkeiten zur Emissionsminderung und Aussichten auf zukünftige Entwicklungen. „Uns ist es wichtig, Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung zu diskutieren, da der regulatorische Druck für Unternehmen hierzu hoch ist. Zudem bieten Lösungen zur Optimierung der Schiffseffizienz großes Potenzial zur Innovationsförderung“, ergänzt Malmström.
So berichtete Marko Möller, Head of Business Administration and Special Projects der Scandlines Deutschland GmbH, über die Möglichkeiten und auch die Herausforderungen auf dem Weg zur vollelektrisch angetriebenen Fähre. „Wir haben in den letzten Jahren für unsere Fähren auf ein batteriegestütztes Hybridsystem gesetzt, welches die Wirkungsgrade und damit die Energiebilanz der Motoren erheblich verbessert hat. Weitere Projektbeispiele sind beispielsweise die Installation von Rotorsegeln und optimierte Propeller.“ Die aktuell größten Projekte der Reederei umfassen einerseits die Indienststellung einer im Regelbetrieb vollständig batterieelektrisch betriebenen Fracht-Fähre im Laufe des Jahres 2025 und die Umrüstung der „Deutschland“ und der „Schleswig-Holstein“ auf mindestens 80 Prozent Batteriebetrieb. Die entsprechenden Anpassungen in den Häfen – unter anderem die Errichtung einer hochleistungsfähigen Landstromversorgung - laufen bereits auf Hochtouren; die aufwendigen Umrüstungen der Schiffe beginnen direkt nach der Sommersaison.
Das Thema „Retrofit von Beleuchtungsanlagen auf Seeschiffen“ beschäftigte Jens Borchhardt von der Hochschule Wismar. „Eine Erneuerung der Leuchtmittel an Bord lohnt sich aus ökonomischer und ökologischer Sicht. LEDs sind energieeffizienter, mechanisch robuster und langlebiger. Sie können noch dazu während des laufenden Betriebs ausgetauscht werden“, erläuterte er. Problematisch sei lediglich die veränderte Stromaufnahme beim Einschalten im Vergleich zum ersetzten Leuchtmittel. „Durch eine entsprechende Elektroplanung an Bord kann das aber im Vorfeld gelöst werden.“
Untermauert wurde der Vortrag durch Praxisbeispiele von Tim Koch-Losekamm von der Karl Dose GmbH. „Die günstigste Lösung ist nicht immer die beste Lösung. Vibration, Korrosion und auch Umgebungstemperatur spielen bei der Umrüstung auf LED-Leuchtmittel an Bord von Schiffen eine wichtige Rolle“, erläuterte der Lichtexperte. Um den Stromverbrauch zu senken, sei auch eine Lichtberechnung sinnvoll. So könne exakt ermittelt werden, ob durch die Umstellung gleichzeitig auch die Anzahl der Leuchten reduziert werden könnte.
Der Vortrag „Vermeidung von Blindfahrten – Leitlinien für eine erfolgreiche Bewertung von propulsions-verbessernden Maßnahmen“ von Richard Marioth, Leiter der MCN-Fachgruppe Schiffseffizienz und Geschäftsführer der Idealship GmbH, rundete die gut fünfstündige Fahrt auf der MS Schleswig-Holstein ab. Richard Marioth: „Für die Bewertung von Nachrüstungen sind belastbare Betriebsdaten, hochwertige Referenzmodelle und klare Prozesse bei Reedereien erforderlich. Wichtig ist, bereits vor einer Nachrüstung konsistente Vergleichsdaten zu sammeln.“
Hintergrund der Veranstaltung war auch die FuelEU Maritime Verordnung als Richtlinie zur Dekarbonisierung des Seeverkehrs sowie das Ziel der International Maritime Organisation (IMO) bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen im internationalen Seeverkehr zu erreichen. Die Fachgruppe Schiffseffizienz arbeitet bereits seit mehreren Jahren am MCN Guide Ship Efficiency als Leitfaden für Akteur:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft zur Schiffseffizienz. Die Erkenntnisse und der Austausch der Onboard-Veranstaltung auf der MS Schleswig-Holstein fließen dort ein und sind ein weiterer wichtiger Baustein aus der praktischen Anwendung.
Über das Maritime Cluster Norddeutschland
Das Maritime Cluster Norddeutschland (MCN) ist das Netzwerk der maritimen Branche in Norddeutschland. Mit über 350 Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik fördert das MCN den Austausch, die Zusammenarbeit und Innovation innerhalb der Branche sowie an Schnittstellen zu anderen Industrien. Durch Geschäftsstellen in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist das MCN regional präsent und bietet Akteur:innen vor Ort gezielte Unterstützung – von der Suche nach Innovationspartner:innen über Informationen zu Förderprogrammen bis hin zur Vermittlung wertvoller Kontakte. Das MCN koordiniert acht Fachgruppen zu den Themen Innovationsmanagement, Maritime Informations- und Kommunikationstechnologien, Maritimes Recht, Maritime Sicherheit, Maritime Wirtschaft Offshore Wind, Personal und Qualifizierung, Schiffseffizienz sowie Unterwasserkommunikation.
Gegründet im Jahr 2011 als länderübergreifendes Cluster der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, kamen 2014 Bremen und Mecklenburg-Vorpommern hinzu. Seit 2017 agiert das MCN als eingetragener Verein.