Die internationale Schifffahrt bereitet sich intensiv darauf vor, ihre klimaschädlichen CO2-Emissionen bis 2050 auf Null zu bringen. Das ist beim 6. Bremer Kongress für Nachhaltigkeit in der Schifffahrt deutlich geworden. „Wir sehen eine Reihe konkreter Beispiele, Maßnahmen und vor allem, dass viel Geld investiert wird“, sagte Prof. Dr. Iven Krämer, Referatsleiter Hafenwirtschaft und Schifffahrt im Bremer Wirtschaftsressort zur Eröffnung der Fachtagung. Die Veranstaltung der Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation, der Hochschule Bremen sowie des Maritimen Clusters Norddeutschland (MCN) zeigte allerdings auch auf, dass noch großer Handlungsbedarf besteht.
Derzeit verursacht die Handelsschifffahrt etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Die internationale Flotte zu dekarbonisieren, sei eine gewaltige Aufgabe, betonte Prof. Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik: „Von 62.000 Schiffen weltweit werden momentan nur 2,2 Prozent mit alternativen Brennstoffen betrieben beziehungsweise für den späteren Betrieb vorbereitet.“ Um Schiffe in der erforderlichen Zeit und Zahl umzurüsten, hält Lemper staatliche Anreize und internationale Regeln für erforderlich.
Der französische Logistik-Konzern CMA CGM werde in den kommenden Jahren rund 15 Milliarden US-Dollar in die Dekarbonisierung seiner Flotte investieren, kündigte die Deutschland-Geschäftsführerin Mirja Nibbe an. Um die CO2-Emissionen bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren, sollen 119 der 620 CMA-CGM-Schiffe auf den Dual-Fuel-Betrieb mit nichtfossilen Brennstoffen umgerüstet werden. Noch ist aber eine Frage unbeantwortet: „Wir wissen nicht, welcher Kraftstoff am nachhaltigsten und zugleich bezahlbar ist.“
Zu den favorisierten Treibstoffen zählen Methanol und Ammoniak aus „grünem“ Wasserstoff. Das bringt Unternehmen ins Spiel, die bislang wenig mit Schifffahrt zu tun haben. Der norwegische Düngemittelkonzern Yara will „sauberes“ Ammoniak als Treibstoff produzieren. Die Norweger lassen zudem einen Containerfrachter mit Ammoniak-Motor bauen. „Die Yara Eyde wird ab 2026 regelmäßig zwischen Bergen und Bremerhaven pendeln“, kündigte Vibeke Rasmussen (Yara Clean Ammonium) an.
„Technologisch hat sich bereits eine Menge getan“, betonte Henning Edlerherr, der sich in der MCN-Geschäftsstelle Niedersachen schwerpunktmäßig mit dem Weg der Schifffahrt zur Klimaneutralität befasst. „Aber das Hauptthema bleibt weiterhin die Verfügbarkeit geeigneter Treibstoffe.“
Für Ramona Zettelmeier (Bureau Veritas) ist es ein Novum, dass sich die Schifffahrtsunternehmen auch mit Treibstoffen befassen müssen: „Wir bewegen uns in einem anderen Wirtschaftszweig und kümmern uns nicht nur mehr um unsere Schiffe.“ Abgesehen davon sei das Thema Klimaschutz auch rechtlich sehr komplex. Zurzeit müssen die Reedereien und der Schiffbau sich mit den Regeln der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO, der Europäischen Union und seit kurzem mit den Anforderungen der USA im Regelwerk US Clean Shipping befassen.
Viele technische Regeln müssen erst noch entwickelt werden. „Es geht auch um die Sicherheit für Besatzung, Schiffe und Umwelt“, betonte Holger Steinbock (Berufsgenossenschaft Verkehr). Methanol ist ein leicht brennbarer Treibstoff, Ammoniak ist hochgiftig. Dennoch ist Dr. Nils Meyer-Larsen (Institut für Seeverkehr und Logistik) überzeugt: „Methanol und Ammoniak haben das größte Potenzial als Treibstoff für die Langstrecke.“ Die größte deutsche Containerreederei Hapag Lloyd sei in Treibstofffragen derzeit für alles offen: „Für uns stehen zunächst starke Investitionen in die Effizienzsteigerung unserer Flotte im Vordergrund“, sagte Maximilian Riedel.
Einen wesentlichen Beitrag zur Effizienzsteigerung versprechen sich viele Schifffahrtsunternehmen von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI). Es gebe einen großen Bedarf an solchen Wegen zu einer besseren „Vessel Performance“, bestätigte Guido Försterling (Reederei Sloman Neptun). In der Praxis sei die Umsetzung schwierig: „Wir bekommen in großer Zahl Lösungen angeboten, an die wir nicht einmal denken würden.“ Bei aller Notwendigkeit, umfangreiche Daten an Bord der Schiffe zu sammeln, braucht es immer noch gut ausgebildete Seeleute, die mit Hilfe dieser Daten das Schiff so effizient wie nötig betreiben.
Ein vielversprechender Ansatz sei ein „intelligentes Routing“, zeigte sich Till Braun (StormGeo) überzeugt. Ein Einstieg in die Wahl der effizientesten Fahrtstrecke ist für ihn die Wetterberatung. Angesichts der zu verarbeitenden „Big Data“ sei dies ein klassischer Fall für KI. Effizienz ließe sich aber auch durch sehr praktische Maßnahmen steigern, erläuterte Dr. Lars Greitsch (Mecklenburger Metall Guss). Der Spezialist für Schiffspropeller optimiert derzeit die Propeller von 80 Containerfrachtern der Reederei MSC, die so weniger Treibstoff verbrauchen und ihre CO2-Bilanz verbessern.
Auch die Seeversicherer sehen große Chancen in der Nutzung digitaler Technologien. Mit ihnen können Risiken besser erkannt und schneller reagiert werden. Louis Ravens (Lampe & Schwartze KG) prognostiziert ein großes Potenzial für zukünftige Versicherungsmodelle, die darauf abzielen, bei der Risikobewertung von Schiffen Faktoren wie CO2-Emissionen und die Einhaltung von Umweltvorschriften zu berücksichtigen. „Ich glaube an Green Underwriting.“
Zukunftsthemen wie die Dekarbonisierung zählen zu den besonderen Kompetenzfeldern im Maritimen Cluster Norddeutschland. „Wir verstehen uns als Plattform für den Austausch in der Branche“, betonte der MCN-Vorsitzende Prof. Bastian Gruschka zur Eröffnung des 6. Bremer Kongresses für Nachhaltigkeit in der Schifffahrt. Erst vor wenigen Wochen hatte das MCN mit einem Workshop in Brake eine Initiative gestartet, die Produktion von klimafreundlichen Treibstoffen aus Altfetten (HVO) in Norddeutschland voranzutreiben.
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Über das Maritime Cluster Norddeutschland
Das Maritime Cluster Norddeutschland (MCN) fördert und stärkt die Zusammenarbeit in der norddeutschen maritimen Branche. Es ermöglicht Plattformen des Dialogs der Akteur:innen untereinander und fördert Innovation und Schnittstellen zu anderen Branchen. Mit Geschäftsstellen in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist das MCN präsent und kooperiert mit den Akteur:innen vor Ort. Es unterstützt unter anderem bei der Suche nach Innovationspartner:innen, informiert zu Förderprogrammen und vermittelt Kontakte in die maritime Branche. Mehr als 350 Unternehmen und Institutionen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sind Mitglied im MCN. Insgesamt acht Fachgruppen koordiniert das MCN zu den Themen Innovationsmanagement, Maritime Informations- und Kommunikationstechnologien, Maritimes Recht, Maritime Sicherheit, Maritime Wirtschaft Offshore Wind, Personal und Qualifizierung, Schiffseffizienz sowie Unterwasserkommunikation.
Das Maritime Cluster Norddeutschland wurde 2011 gegründet. Zunächst arbeiteten die Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in dem länderübergreifenden Cluster zusammen, im September 2014 kamen auch Bremen und Mecklenburg-Vorpommern hinzu. Seit 2017 agiert das MCN als Verein.