Die maritime Wirtschaft mit bundesweit über 400.000 Beschäftigten und einer jährlichen Wertschöpfung von rund 50 Milliarden Euro zählt zu den innovativen Schlüsselindustrien in Deutschland. Neben dem Wettbewerb am Markt steht die Branche vor neuen energie- und sicherheitspolitischen Herausforderungen. Wie kann sie auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren? Welche Ideen und Lösungen gibt es, um die künftigen Aufgaben zu bewältigen? Über diese und weitere Fragen diskutierten am 26. und 27. Juni 2025 mehr als 140 Vertreter:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bei der 11. Zukunftskonferenz der Maritimen Wirtschaft in der Stadthalle Rostock. Veranstaltet wurde sie vom Ausschuss Maritime Wirtschaft der drei Industrie- und Handelskammern (IHK) in Mecklenburg-Vorpommern in Kooperation mit dem Maritimen Cluster Norddeutschland (MCN) und dem Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit von MV.
Zum Auftakt betonte Jochen Schulte, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von MV und Maritimer Koordinator des Landes, die Leistungsfähigkeit der maritimen Wirtschaft. Zugleich verwies er darauf, dass die Branche „einen massiven Wandel durchlebt“, der aber Chancen birgt. Schiffbau, Zulieferer und Forschungseinrichtungen sind gefordert, die maritime Energiewende umzusetzen. Internationale Vorschriften weisen konkrete Zielmarken für höhere Energieeffizienz und reduzierte Schadstoffemission aus. An welchen alternativen Technologien und Treibstoffen geforscht und welche bereits praktische Anwendung finden, dazu gab Steffen Loest von der Hochschule Wismar einen Überblick. Die Dekarbonisierung führe über die drei Handlungsfelder Emissionen, Energie und Effizienz, so Loest, der auch der Fachgruppenleitung „Schiffseffizienz“ des MCN angehört. Diese veröffentlicht seit 2022 jährlich zum Thema einen Leitfaden für Reeder, Shipmanager und weitere Interessierte. „Wir bieten damit Anwendern eine Entscheidungshilfe bei der Frage, mit welcher technischen Lösung sich die CO2-Bilanz am besten verbessern lässt“, betonte der Wissenschaftler.
„Durch die Zusammenarbeit von Wirtschaft und regionalen Forschungseinrichtungen“ bestehen nach Ansicht von Lars Greitsch, Vorsitzender des IHK-Ausschusses Maritime Wirtschaft, „sehr gute Rahmenbedingungen für Innovationen sowie für Forschungs- und Entwicklungsprojekte“. Auf dieser Basis könne der Norden „eine Vorreiterrolle etwa im Bereich Green Shipping, insbesondere bei alternativen Antriebstechnologien einnehmen“.
Den Kooperationsgedanken erweiterte Fregattenkapitän Göran Swistek aus dem Bundesministerium der Verteidigung auf den militärischen Bereich. Angesichts verstärkter hybrider Bedrohungen für kritische Infrastrukturen wie Energie, Häfen und Datennetze stehe die maritime Sicherheit „vor neuen Anforderungen“. Notwendig sei, Militär und Wirtschaft enger als bisher zusammenwirken zu lassen. Dies reiche weit über das „maritime Funktionieren der Häfen“ im militärischen Einsatzfall hinaus. Auch Hightech aus der Wirtschaft würde für einen effizienten Schutz von kritischer Infrastruktur benötigt. Ein Anliegen, das „bei unseren Projekten schon immer mitbedacht wurde“, führte Unternehmer Nico Günzel aus. Er ist Geschäftsführer der Firma Framework Robotics, die eine konfigurierbare Plattform für Unterwasserroboter entwickelt hat. Mit Sensorik bestückt können diese zum Beispiel relevante Daten liefern, um schnell ein Lagebild erstellen zu können. „Die veränderte Sicherheitslage hat diesen Aspekt in unserer Arbeit zusätzlich nach vorn gerückt“, so Günzel.
Am ersten Konferenztag wurden die Fachvorträge ergänzt durch zwei Pitches-Runden. In den Kurzpräsentationen stellten die Referenten innovative Best-Practice-Beispiele vor. Jan Brandt, Geschäftsführer von GTC Energy Solutions, berichtete beispielsweise über den erfolgreichen Einsatz von Batteriesystemen auf Schiffen im Kurzstrecken- und Fährverkehr.
Die „Maritime Industrie der Zukunft“ stand im Mittelpunkt des zweiten Tages der Konferenz in Rostock. „Das Branchentreffen hat unser Anliegen erfüllt, die breite Vielfalt der maritimen Wirtschaft aufzuzeigen“, resümierte Oliver Malmström, Geschäftsstellenleiter des MCN in MV. „Zugleich ist es gelungen, neben den neuen Herausforderungen auch wirtschaftliche Trends in den Fokus zu rücken wie das Schiffsrecycling, das hiesigen Unternehmen neue Geschäftschancen eröffnen kann.“
Über das Maritime Cluster Norddeutschland
Das Maritime Cluster Norddeutschland (MCN) ist das Netzwerk der maritimen Branche in Norddeutschland. Mit über 350 Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik fördert das MCN den Austausch, die Zusammenarbeit und Innovation innerhalb der Branche sowie an Schnittstellen zu anderen Industrien. Durch Geschäftsstellen in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist das MCN regional präsent und bietet Akteur:innen vor Ort gezielte Unterstützung – von der Suche nach Innovationspartner:innen über Informationen zu Förderprogrammen bis hin zur Vermittlung wertvoller Kontakte. Das MCN koordiniert acht Fachgruppen zu den Themen Innovationsmanagement, Maritime Informations- und Kommunikationstechnologien, Maritimes Recht, Maritime Sicherheit, Maritime Wirtschaft Offshore Wind, Personal und Qualifizierung, Schiffseffizienz sowie Unterwasserkommunikation.
Gegründet im Jahr 2011 als länderübergreifendes Cluster der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, kamen 2014 Bremen und Mecklenburg-Vorpommern hinzu. Seit 2017 agiert das MCN als eingetragener Verein.