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05. Juli 2023

Fünf Fragen an ... Fin-Olav Wittstock

Fin-Olav Wittstock

© Privat

Vom 20 Meter langen Arbeitsschiff bis zur 200-Meter-Yacht – wo immer besondere Anforderungen für die Stromversorgung an Bord bestehen, ist die in Rendsburg ansässige SDT – Schiffsdieseltechnik Kiel GmbH mit individuellen Konzepten für Hilfsaggregate und Notdiesel zur Stelle. Im Interview spricht Chief Technology Officer Fin-Olav Wittstock über die Zukunft des Dieselmotors, innovative Kraftstoffkonzepte und den Fachkräftemangel.

 

MCN: Herr Wittstock, seit mehr als 45 Jahren konzeptioniert die SDTSchiffsdieseltechnik Kiel anspruchsvolle Diesel-Aggregate. Nun hat die „Energiewende“ auch die maritime Branche erfasst. Wie sehen Sie die Zukunft des Verbrennungsmotors? Müssen Sie den „Diesel“ demnächst aus Ihrem Firmennamen streichen?

Wittstock: Auf keinen Fall. Im maritimen Bereich hat der Dieselmotor noch eine lange und gute Zukunft vor sich. Was das Leistungsgewicht angeht, ist der klassische Kolbenmotor – der „Verbrenner“ – einfach unschlagbar. Das ist ein sehr starkes Argument und wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Dieselmotoren sind in den vergangenen Jahren sehr viel umweltfreundlicher geworden, etwa durch sehr gute Abgasnachbehandlungssysteme, die sich im Markt mittlerweile fest etabliert haben.

MCN: Diese Systeme lösen aber nicht das Problem der CO2-Emissionen. Schließlich soll die internationale Schifffahrt bis 2050 „klimaneutral“ werden. Welche Lösungsansätze sehen Sie?

Wittstock: Die Nutzung alternativer Kraftstoffe ist aktuell ein großes Thema in der Branche. Hydriertes Pflanzenöl (HVO), das aus Pflanzenölresten gewonnen wird, ist für die Schifffahrt eine relevante Alternative, die schon in großen Mengen produziert und verwendet wird, zum Beispiel in Skandinavien. Ein Schiffsmotor, der mit Pflanzenöl betrieben wird, spart so bis zu 90 Prozent der CO2-Emissionen ein. Das ist ein großer Schritt. Methanol ist ein weiteres großes Thema. Mit Methanol wird sogar ein CO2-neutraler Schiffsantrieb möglich. Das sind Entwicklungen, die langfristig kommen. Kurzfristig für praktikabel halte ich es, den Diesel mit einem alternativen Kraftstoff zu mischen (Dual-Fuel-Betrieb), um so die CO2-Emissionen beziehungsweise den Ausstoß klimaschädlicher Stoffe zu reduzieren.

MCN: Welchen Stellenwert besitzt die Entwicklung von „klimafreundlicher“ Technik für Ihr eigenes Unternehmen?

Wittstock: Wir sind auf diesem Feld tatsächlich sehr aktiv. So arbeiten wir im EcoShip60-Netzwerk mit, dessen Ziel die Entwicklung von umweltfreundlichen Antriebs- und Energiesystemen für Schiffe bis zu 60 Metern Länge ist. EcoShip60 wurde gerade erst vom Bundeswirtschaftsministerium als „ZIM Netzwerk des Jahres 2023“ ausgezeichnet. Konkret arbeiten wir hier an der Konzeptionierung eines CO2-neutralen Stromerzeugers (GenSet) für Schiffe. Wir suchen dafür den engen Austausch mit Zulieferern und potenziellen Kunden, weil am Ende ein wirklich marktfähiges Konzept stehen soll. Wir befinden uns hier auf der Zielgeraden.

MCN: Ein großes Thema auch in der maritimen Wirtschaft ist der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. Wie begegnen Sie dem?

Wittstock: Wir sind aktuell in der glücklichen Lage, dass wir die Leute kriegen, die wir brauchen. Wir gehen dafür aber auch neue Wege. Potenzielle Mitarbeiter sprechen wir heute eher über die Sozialen Medien an als über die klassische Zeitungsanzeige. Wir gehen auf die Leute zu und machen es Ihnen so einfach wie möglich, mit uns ins Gespräch zu kommen. Das geht mit ein paar Klicks. Interessanterweise erhalten wir gelegentlich noch qualifizierte und aussagekräftige Initiativbewerbungen und haben über diesen Kanal gerade wieder jemanden eingestellt. Einen echten Engpass erleben wir derzeit bei fundiert ausgebildeten Elektrikern und Elektroingenieuren mit maritimer Affinität – die sind wirklich rar. Wir haben deswegen beschlossen, auch Elektriker künftig selbst auszubilden. Wir haben bislang schon in anderen Bereichen ausgebildet und damit gute Erfahrungen gemacht. Eine Ausbildung ist oft die beste Variante, Fachpersonal an ein Unternehmen zu binden.

MCN: Wie profitieren Sie von Ihrer Mitgliedschaft im Maritimen Cluster Norddeutschland?

Wittstock: Wir sind schon seit über zehn Jahren dabei und schätzen die Arbeit des Maritimen Clusters sehr. Uns war es immer ein Anliegen, den maritimen Standort Norddeutschland zu stärken. Das MCN hat sich in dieser Hinsicht zu einer wichtigen Plattform entwickelt, die die Unternehmen der Branche zusammenbringt und vernetzt. Davon profitieren alle. Wir nehmen auch sehr gern an den immer fundierten Fachveranstaltungen des Clusters teil, die es den Teilnehmern erlauben, vertiefend in ein neues Thema einzusteigen. Das ist sehr wertvoll, denn man läuft heute schnell Gefahr, sich im Internet ein gefährliches Halbwissen anzueignen.

 

Über Fin-Olav Wittstock

Fin-Olav Wittstock ist Mitglied der Geschäftsführung und seit Jahresbeginn 2023 Chief Technology Officer (CTO) der SDT – Schiffsdieseltechnik Kiel GmbH. In dem heute in Rendsburg ansässigen Unternehmen bekleidete er zuvor seit 2015 verschiedene Führungspositionen. Wittstock hat ein Studium „Schiffbau und Maritime Technik“ an der FH Kiel sowie zuvor eine Ausbildung zum Feinwerkmechaniker im Maschinenbau bei der Gebr. Fridrich Schiffswerft absolviert.