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01. Dezember 2025

„Unser Ziel ist der Schutz maritimer Infrastruktur vor Schiffkollisionen“

Marivation ist ein noch junges Spin-off aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und wurde bereits für sein Assistenzsystem SmartKai mit dem MCN Cup ausgezeichnet. Das System schützt maritime Infrastruktur, unterstützt Schiffe bei Hafen- und Schleusenmanövern und hilft, Schäden eindeutig zuzuordnen. Im Interview erklären zwei der Gründer, Marvin Bathmann und Jan Mentjes, wie aus einem Forschungsprojekt ein marktreifes Produkt wurde – und warum Vertrauen im maritimen Sektor entscheidend ist.

 

Marivation existiert erst seit 2024. Obwohl Sie also ein sehr junges Unternehmen sind, konnten Sie in diesem Jahr schon den MCN Cup in der Kategorie „Produkt“ gewinnen. Wie kam es zur Gründung von Marivation?
Bathmann:
Marivation ist eine Ausgründung aus der Forschung, konkret aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Wir drei Gründer kommen aus der maritimen Forschung und haben bereits fünf Jahre vor der Unternehmensgründung zusammengearbeitet. Unser Produkt, das digitale Assistenzsystem SmartKai, entstand ursprünglich als Forschungsprojekt und stieß in der Branche sofort auf großes Interesse. Das hat uns ermutigt, den nächsten Schritt zu gehen und SmartKai aus der Forschung in die Praxis zu überführen. Als Starthilfe haben wir ein Förderprogramm für Ausgründungen genutzt, das Produkt technisch weiterentwickelt und einen Geschäftsplan erstellt. 2024 war es dann so weit.

Was war Ihre Ausgangsidee? Wofür braucht die Schifffahrt noch ein Assistenzsystem?
Bathmann:
Unser grundlegendes Ziel ist der Schutz maritimer Infrastruktur vor Schiffskollisionen. An Brücken, in Schleusen und an Anlegern entstehen jedes Jahr erhebliche Schäden durch solche Zusammenstöße. Das führt zu immensen Folgekosten, etwa wenn eine Schleuse länger gesperrt werden muss. Außerdem bleiben die Betreiber der Anlagen häufig auf ihren Kosten sitzen, weil oft nicht eindeutig festzustellen ist, wer den Schaden verursacht hat.

Mit SmartKai setzen wir deshalb auf zwei Elemente: Erstens auf Prävention. Wir unterstützen Schiffe bei ihren Manövern – ohne dass dafür zusätzliche Systeme an Bord installiert werden müssen. Zweitens auf Detektion. Wir können feststellen, wer einen Schaden verursacht hat, sodass die Infrastrukturbetreiber nicht länger auf den Kosten sitzen bleiben. Diese eindeutige Zuordnung dürfte langfristig zu mehr Sicherheit im Hafen beitragen. Die beiden Kernelemente sind bereits erfolgreich patentiert.

Wie funktioniert SmartKai?
Mentjes:
Man kann SmartKai ein wenig mit einem Parkassistenten im Auto vergleichen – nur dass die Installation nicht auf dem Schiff, sondern an Land erfolgt. Wir arbeiten vor allem mit Lidar, einer Lasertechnologie, die präzise 3D-Informationen über die Umgebung liefert. Zusätzlich arbeiten wir in manchen Fällen mit Radarsensoren. Wir erfassen zum Beispiel die Größe des Schiffes, seinen Abstand und seine Geschwindigkeit. Hinzu kommen die lokalen Umweltbedingungen. Dabei greifen wir auf allgemein verfügbare Daten zurück, die wir – und das ist entscheidend – durch lokale Messdaten ergänzen. Das ist besonders wichtig, denn die Strömungsverhältnisse unterscheiden sich im Hafen oft deutlich vom Bereich davor. Mit all diesen Daten können wir berechnen, mit welcher Geschwindigkeit und in welchem Winkel ein Schiff am besten einfährt, und diese Informationen an die Brücke übermitteln.

Sie sagten, dass keinerlei zusätzliche Installation an Bord notwendig sei. Wie erhält die Besatzung dann die Informationen?
Mentjes: Unsere Überlegung war, dass es auf der Brücke ohnehin schon mehr als genug Systeme gibt und ein weiteres Bordgerät kaum sinnvoll wäre. Deshalb haben wir SmartKai in bestehende Lotsensysteme integriert. Wenn der Lotse an Bord geht, hat er alle Informationen auf seinem Tablet verfügbar. Für kleinere Schiffe ohne Lotspflicht nutzen wir Mobilfunk. Die Besatzungen werden hier gerade bei heiklen und engen Schleuseneinfahrten auf bereits an Bord verfügbaren Geräten unterstützt. Möglicherweise können wir unsere Informationen zukünftig auch über AIS versenden. Wichtig ist: An Bord soll alles möglichst unkompliziert funktionieren – idealerweise mit der vorhandenen Infrastruktur.

Ist Ihr Produkt marktreif?
Bathmann: Ja, das ist es. Wir haben aktuell einen Auftrag von Niedersachsen Ports, Cuxhaven mit unserem System auszustatten. Weitere Projekte sind in Vorbereitung. Wir konzentrieren uns zunächst auf Deutschland und Europa. Im maritimen Bereich ist Vertrauen sehr wichtig, und das bauen wir derzeit auf. Daher setzen wir auf Pilotanlagen, um Vertrauen in SmartKai zu schaffen. Aktuell werden wir häufig erst nach einer Havarie oder einem Beinaheunfall angefragt: Hier stellen wir dann unkompliziert Testsysteme bereit, so dass Schadensschwerpunkte für die Zukunft geschützt sind.

Da kommt der MCN Cup vermutlich zum richtigen Zeitpunkt.
Bathmann:
Ja, absolut. Wir sind ein junges Unternehmen, und dieser Erfolg hilft uns, zusätzliche Sichtbarkeit zu gewinnen. Bei der Preisverleihung konnten wir bereits viele interessante Kontakte knüpfen. Die Auszeichnung durch eine Fachjury schafft natürlich zusätzlich Vertrauen in das Produkt. Darauf sind wir sehr stolz.

Über Marvin Bathmann und Jan Mentjes

Marvin Bathmann ist Geschäftsführer und Mitgründer des Oldenburger Unternehmens Marivation GmbH. Der studierte Wirtschaftsinformatiker (M.Sc. an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) war zuvor u. a. als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) tätig.

Jan Mentjes ist Technischer Direktor und ebenfalls Mitgründer von Marivation. Wie sein Mitgründer studierte er zuvor Wirtschaftsinformatik (M.Sc. an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) und war u. a. als wissenschaftlicher Mitarbeiter am DLR beschäftigt.

© Fotos: MCN / Sigrun Strangmann