Aktuelles

04. April 2022

Havariemanagement 3.0

Prof. Dr. Klaus H. Holocher, Jade Hochschule, Hilko Dunkhorst, SEC Ship’s Equipment Centre Bremen GmbH & Co. KG, Henning Edlerherr, MCN e. V., Prof. Dr. Iven Krämer, DNVW/DNV e.V., Christian Naegeli, Verband Deutscher Reeder, Peer Beyersdorff, Breitbandzentrum Niedersachsen-Bremen, Dr. Robby Renner, Havariekommando. Bildrechte: MCN e. V.

Alle sind sich einig: Container dürfen nicht über Bord gehen. Trotzdem kommen Containerverluste immer wieder vor. So fielen jüngst am 21. März 2022 insgesamt 90 Container, teilweise beladen mit Lithium-Ionen-Batterien, im Nordpazifik bei schwerer See ins Meer.

Worin die Ursachen der Verluste liegen und welche Handlungsansätze bestehen, haben Experten am 24. März 2022 in der Veranstaltungsreihe „Havariemanagement“ diskutiert. Die Organisatoren dieses Events, die Jade Hochschule - Fachbereich Seefahrt und Logistik, das Maritime Cluster Norddeutschland, die Deutsche Verkehrswisschenschaftliche Gesellschaft, die KMR-Marine Surveyors GmbH, die Oldenburgische IHK und der Deutsche Nautische Verein, hatten dazu ein spannendes Programm erstellt, durch das Prof. Dr. Iven Krämer, DVWG / DNV e.V. navigierte.

Professor Holocher von der Jade Hochschule führte in das Thema ein und gab einen Überblick über Havarien auf See, insbesondere Containerverluste.

Hilko Dunkhorst, Geschäftsführer der SEC Ship’s Equipment Centre Bremen GmbH & Co. KG, erläuterte die neuesten Entwicklungen und Innovationen bei der Sicherung der Container. Zu Beginn des Vortrags ging Herr Dunkhorst auf die Herausforderungen bei der Auslegung von Containersicherungssystemen, wie beispielweise fehlende einheitliche Berechnungsvorschriften für Containerlaschsysteme, ein. Zukünftig könnten mit Sensoren ausgestattete Twistlocks, die auf sie wirkenden Lasten per W-LAN auf die Brücke übertragen. So könnten Überlastungen von der Schiffsführung direkt registriert werden und nicht erst, wenn ein Containerstapel kollabiere.

In der Veranstaltung „Havariemanagement 2.0“ wurde 2019 die sicherheitstechnische Relevanz einer ausgebauten und zuverlässigen Mobilfunkabdeckung für die Berufsschifffahrt herausgearbeitet. Über die seitdem erfolgten Veränderungen, Pläne und Handlungserfordernisse berichtete Peer Beyersdorff, Geschäftsführer des Breitbandzentrums Niedersachsen-Bremen (BZNB). Insbesondere die Lotsen wiesen jahrelang auf die Notwendigkeit eines gut ausgebauten mobilen Datennetzes hin. Eine Studie, die durch die TU Braunschweig im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMVI) erstellt wurde, konnte drei bedeutende Funklöcher identifizieren und hat Vorschläge für neu zu errichtende Mobilfunkplattformen identifiziert. BZNB und das BMVI haben die berechneten Ergebnisse der Studie durch eine Messkampagne unter Beteiligung von den Losten, der DGzRS und von Sportbootfahrern bestätigt. Nach Abschluss der Validierung der Untersuchungsergebnisse sollen die gewonnenen Erkenntnisse in die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen zur Schließung von Versorgungslücken integriert werden.

Christian Naegeli, Referent für Schiffssicherheit, Nautik, Technik & Umweltschutz beim Verband Deutscher Reeder, bezog ebenfalls Position und informierte zu der Einordnung der Problematik, zu Containerstau an Bord​, mögliche Ursachen für Containerverluste​ sowie Maßnahmen und Initiativen. Im vom VDR unterstützten Projekt „Top Tier“ soll unter anderem die aktuelle Praxis der Container-Stauung überprüft werden, geeignete Verbesserungsmaßnahmen auf Basis von Simulationen und Berechnungen identifiziert und Lücken in der bestehenden Gesetzgebung erkannt werden. Voraussetzung für weitergehende Maßnahmen ist nach Ansicht des VDR der Abschluss aller anstehender Untersuchungen und die neutrale Auswertung der Ergebnisse.  Nicht zielführend seien dagegen Initiativen ohne Wirksamkeit und Kosten-Nutzen Analyse, wie zum Beispiel pauschale Forderungen nach Schiffsgrößenbeschränkungen, schiffbaulichen Modifikationen, die Erhöhung von Laschbrücken oder die Verlegung von Verkehrsrouten sowie die Forderung nach Container-Ortungsgeräten ohne Berücksichtigung der technischen Limitationen.

Abgeschlossen wurde der Nachmittag durch einen Beitrag von Dr. Robby Renner, Leiter des Havariekommandos, der am Beispiel der Mumbai Maersk die Abwicklung eines aktuellen Bergungsfalls aufzeigte. Insbesondere das enge Zusammenspiel zwischen dem Havariekommando als koordinierende und weisungsbefugte Einheit und dem privatwirtschaftlichen Bergungsunternehmen mit entsprechendem Equipment und Personal ermöglichte die rasche Abwicklung der Bergung, bevor Schlechtwetter die weitere Sicherstellung erheblich erschwert hätte.

Die Veranstaltung machte deutlich, dass es kaum pauschale Antworten auf die Herausforderungen zum Thema Containerverlust gibt. Jedes Schiff und jeder Fall von Containerverlust muss individuell, aber dennoch im Gesamtkontext zur Verbesserung der Situation betrachtet und eingeordnet werden.

Beim anschließenden Netzwerken wurden die Gespräche fortgeführt. Das Thema birgt noch viele inhaltliche Fragestellungen für Folgeveranstaltungen, sodass Sie sich bereits jetzt auf ein „Havariemanagement 4.0“ freuen dürfen.

 

Projektkontakt:

Henning Edlerherr
Projektmanagement Maritimes Cluster Norddeutschland
04404 98786-14, henning.edlerherr@maritimes-cluster.de