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06. Dezember 2023

„Wir virtualisieren das komplexe Energiesystem von Häfen von A bis Z“

Für das Projekt „VIPort – virtueller intelligenter Hafen – Nachhaltige Energieversorgung durch Digitalisierung“ erhielt die ITK Engineering GmbH den MCN Cup in der Kategorie C „Digitalisierung der maritimen Wirtschaft“. Business Developer Christina Warmann erläutert, wie digitale Zwillinge Häfen bei der Transformation ihrer komplexen Energiesysteme unterstützen können.

 

MCN: Frau Warmann, worum geht es bei Ihrem preisgekrönten Projekt VIPort?

Warmann: Die Grundidee ist, das gesamte Energiesystem eines Hafens zu virtualisieren. Dazu erstellen wir einen digitalen Zwilling. Dabei geht es nicht wie in der Architektur um eine dreidimensionale Darstellung oder Animation von Gebäuden oder Anlagen. Es geht vielmehr darum, das Energiesystem zu modellieren. Dabei werden das Verhalten der Quellen, Speicher und Senken für jeden Sektor (Strom, Wärme etc.) sowie deren Wechselwirkungen untereinander abgebildet. Dieser digitale Zwilling sieht zwar nicht so schön aus wie die 3D-Animation eines aufregenden Gebäudes, ist aber äußerst nützlich. Er verschafft dem Hafenbetreiber einen genauen Überblick über die Energieflüsse und kann zur Überwachung, Planung und Weiterentwicklung des Energiesystems genutzt werden.

MCN: Wie aufwändig ist die Erstellung eines solchen digitalen Hafenzwillings?

Warmann: Einen solchen digitalen Zwilling gibt es nicht von der Stange. Gerade die Energiesysteme in Häfen sind sehr komplex: Schiffe kommen und gehen. Containerbrücken, Züge, Lastwagen und Autos bewegen sich auf dem Gelände. Verschiedene Unternehmen mit oft hohem Energiebedarf sind hier angesiedelt. Entsprechend anspruchsvoll ist die Virtualisierung des Gesamtsystems. Denn zum einen bilden wir die Energiesysteme selbst ab, berücksichtigen aber auch die Verbraucher, zum Beispiel ein Schiff, das zu einer bestimmten Zeit in den Hafen einläuft und dann eine bestimmte Menge Landstrom und Treibstoff benötigt. All diese Daten beziehen wir mit ein. Darüber hinaus stehen die Häfen heute auch unter Transformationsdruck. Sie müssen auf umweltfreundlichere Energien umsteigen. Deshalb beziehen wir die Potenziale zum Beispiel für erneuerbare Energien im Hafenumfeld in unsere Zwillinge mit ein. Das hilft enorm bei der Planung. Sind ein, zwei oder drei Windräder sinnvoll? Wir finden das heraus und helfen dem Hafenbetreiber, so zu investieren, dass es sich auch rechnet.

 

MCN: Hat sich Ihr VIPort schon in der Praxis bewährt? Gibt es Pilotprojekte?

Warmann: Ja, wir haben einen norddeutschen Hafen als Kunden, mit dem wir gerade genau dieses Projekt machen. Gemeinsam entwickeln wir eine individuelle Lösung für diesen Hafen. Dabei können wir zum Teil auf Erfahrungen und Bausteine aus anderen Branchen zurückgreifen, aber viele maritime Spezifika sind für uns auch neu.

MCN: Sehen Sie bei den Hafenbetreibern eine gewisse Scheu vor komplexen digitalen Themen?

Warmann: Die gesellschaftlich getriebene Transformation stellt die Häfen vor große Herausforderungen. Sie stehen stark unter Druck. Das gilt insbesondere für die großen Häfen mit ihren sehr komplexen und oft unübersichtlichen Systemen. Ich habe den Eindruck, dass ein gewisser Tatendrang vorhanden ist, aber oft nur Teillösungen angegangen werden. Ein digitaler Zwilling mag vielen Verantwortlichen als zu komplex erscheinen. Aber für die Modellierung gibt es Spezialisten wie uns. Wir verabschieden uns nicht, wenn der Zwilling fertig ist. Wenn der Kunde es wünscht, behalten wir das digitale Modell in unseren Händen und stellen ihm die Daten zur weiteren Optimierung seiner Energiesysteme nach Bedarf zur Verfügung. Er braucht sich nicht um eine Softwareumgebung und Lizenzen zu kümmern und bekommt von uns die Optimierungsvorschläge. Da sind wir flexibel.

 

MCN: Sie haben sich bei der feierlichen Preisverleihung in Hamburg besonders gefreut. Welche Bedeutung hat der MCN Cup für Sie?

Warmann: Wir haben uns sehr gefreut, zumal unsere Mitbewerber sehr starke Projekte eingereicht hatten. Für uns als relative Neulinge in der Branche war es großartig, von einer fachkundigen Jury bestätigt zu bekommen, dass das, was wir mit dem VIPort machen, ökonomisch sinnvoll, innovativ und zukunftsträchtig für die Häfen der Welt ist. Das spornt uns an, diesen Weg weiterzugehen.

Über Christina Warmann

Christina Warmann ist Diplom-Informatikerin. Seit knapp neun Jahren ist sie für die ITK Engineering GmbH in Braunschweig tätig, aktuell als Business Development Manager Energy & eMobility Systems. Zuvor arbeitete sie unter anderem für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die TU Braunschweig und die Etalon AG.

© Fotos: MCN / Marc Matthaei