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29. Februar 2024

Mega-Trend KI: Was die Schifffahrt erwartet

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) bricht sich mit atemberaubender Geschwindigkeit Bahn. Mit innovativen Produkten und Dienstleistungen krempelt die KI (Englisch: AI, Artificial Intelligence) ganze Branchen um. Die Transformation stellt herkömmliche Geschäftsmodelle und Berufsbilder in Frage und bringt neue hervor. Wo die maritime Wirtschaft in dieser tiefgreifenden Transformation steht und vor allem, wo sie hinsteuert, war Thema des Netzwerktreffens „Building the Future: How AI is Reshaping Maritime“ am 28. Februar 2024 in Hamburg. Zu der vom Maritimen Cluster Norddeutschland und dem Berliner Unternehmen Flagship Founders ausgerichteten Veranstaltung kamen rund 120 Interessierte, vor allem aus der Schifffahrt.

„Die Künstliche Intelligenz ist in der Schifffahrt angekommen“, stellte zum Auftakt Fabian Feldhaus fest, Mitgründer und Managing Director des Venture Studios Flagship Founders. Umso wichtiger sei es, „dass wir alle einerseits die Potenziale und Einsatzmöglichkeiten, aber natürlich auch die Risiken von KI verstehen und diskutieren“, formulierte Feldhaus das Ziel der Veranstaltung.

In einer ersten Keynote gewährte dann Florian Heinemann, Senior Director Data Insights & AI der Hapag-Lloyd AG, spannende Einblicke in die Praxis seines Unternehmens und zeigte anhand zahlreicher Beispiele, wie bei der fünftgrößten Containerlinienreederei der Welt heute schon Mensch und KI-gestützte Maschine zusammenarbeiten. Er sei „zu 100 Prozent davon überzeugt, dass 2030 sämtliche Geschäftsprozesse bei Hapag Lloyd KI-gestützt sein werden“, wagte Heinemann einen Ausblick in die (gar nicht so ferne) Zukunft.

Welche Rolle der praktische Einsatz von KI heute schon in Teilen der maritimen Branche spielt, belegten anschließend eindrucksvoll die Kurz-Präsentationen fünf ganz unterschiedlicher maritimer Start-ups.

Die Optimierung der Warenströme in Häfen ist eines der Themen des mehrfach ausgezeichneten finnischen Start-ups Awake.AI. Co-Gründer und CEO Karno Tenovuo nannte als Beispiel eine KI-gestützte Software, die die Ankunft von Schiffen zuverlässiger vorhersagen kann. „Wir schaffen einen Überblick über alle Schiffe, die kommen und gehen. Der Hafen operiert dadurch effizienter und preisgünstiger, und auch die Emissionen sinken“, versprach Tenovuo.

Fabian Fussek von Kaiko Systems aus Berlin stellte KI-Lösungen für die „Arbeiter an vorderster Front“ vor. Es sei entscheidend wichtig, auch die Seeleute in die KI-Transformation einzubinden. „Wir helfen den Seeleuten an Bord, ihren Job KI-unterstützt noch besser zu machen“, versprach er. Als ein Beispiel nannte Fussek eine automatisierte Rosterkennung für den Einsatz im Rahmen von Inspektionen an Bord.

Als „Tinder der Schifffahrt“ bezeichnete Georg-Maximilian Kuhlmann mit einem Augenzwinkern sein Unternehmen Oceanis. Hinter der Hamburger Neugründung verbirgt sich eine KI-gestützte Plattform, die Schiffseigner:innen mit Finanzierungsbedarf mit den optimalen Partner:innen aus der Finanzbranche zusammenführt. Damit ist es eines der wenigen maritime Start-ups, das sich mit den für die Schifffahrt wichtigen Finanzierungsthemen befasst.

Crewmanager:innen bilden die Zielgruppe von Tilla Technologies. Das Berliner Software-as-a-Service-Unternehmen unterstützt mit seinen datengetriebenen Produkten vor allem den Crew Change auf Handelsschiffen. „Mehr Schiffe sind unpünktlich als pünktlich. Das macht Crewwechsel zu einer komplexen Aufgabe, die wir durch Datenintegration und Automation massiv unterstützen und vereinfachen können“, erläuterte Co-Gründer Narayan Venkatesh.

David Kaiser von Vesselity zeigte abschließend, wie sein Unternehmen vorausschauende KI im Zusammenspiel mit Unterwasserdrohnen für Unterwasserinspektionen und Rumpfreinigungen einsetzt und damit zur Reduzierung des Brennstoffverbrauchs von Schiffen und Flotten beiträgt. „Effizienzsteigerungen im Schiffsbetrieb von fünf bis zehn Prozent und entsprechend reduzierte Emissionen sind damit möglich“, sagte Kaiser.

„Genug von KI verstehen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können“

In einer zweiten Keynote stellte dann Nick Chubbvon Thetius das Vordringen der KI in die Reihe der großen, umwälzenden Transformationen der Vergangenheit vor – von der Eisenbahn über die Erfindung des Automobils und des Flugzeugs bis hin zum Internet. Der Gründer und Strategy Director des in Großbritannien ansässigen forschenden und beratenden Unternehmens zeigte, wie jede neue Transformation noch schneller griff als die vorhergehenden. Vor dem Hintergrund dieser Beschleunigung empfahl Chubb den anwesenden maritimen Entscheider:innen in seiner mitreißenden Art, sich dringend die notwendige Expertise anzueignen: „Sie müssen genug von KI verstehen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können.“ Gleichzeitig empfahl er den Schifffahrtsunternehmen, KI eher einzukaufen als selbst zu entwickeln: „Wenn Sie Schiffe betreiben, konzentrieren Sie sich darauf, Schiffe zu betreiben.“ Chubb unterstrich die Bedeutung kleiner, beweglicher und innovativer Unternehmen für die KI-Transformation.

Die Gelegenheit zum Networking und zum informellen Austausch vor und nach den Vorträgen wurde sehr intensiv genutzt. Das brennende Interesse in der maritimen Branche am Thema KI zeigte sich auch darin, dass die in englischer Sprache abgehaltene Netzwerkveranstaltung in den Räumlichkeiten des Digital Hub Logistics in der Hamburger Speicherstadt sehr schnell ausgebucht war. Einige der Referenten waren eigens für das Event aus dem Ausland nach Hamburg gereist.

Lina Harms vom Maritimen Cluster Norddeutschland, die gemeinsam mit dem maritimen Experten Stephan Piworius (ATAI) den Abend moderierte, zog ein positives Fazit. Es sei deutlich geworden, dass „sowohl in der Schifffahrt als auch der maritimen Dienstleistungs- und Zuliefererindustrie verschiedenste vielversprechende Ansätze bestehen, um die Möglichkeiten der KI sinnvoll zu nutzen“, unterstrich die Leiterin der Hamburger Geschäftsstelle des MCN. Die Veranstaltung habe darauf abgezielt, ein breiteres Verständnis zu schaffen und die Beteiligten ins Gespräch zu bringen, und dies sei gelungen.

 

© Fotos: Jonas Walzberg