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06. September 2023

Fünf Fragen an ... Tobias Albert

Tobias Albert

Tobias Albert – © Privat

Seit Februar leitet Tobias Albert das Maritime Kompetenzzentrum Elsfleth. Im Interview verrät er, warum er den Schiffsmechaniker für einen Beruf mit Zukunft hält und was die Havarie der „Freemantle Highway“ für die Brandbekämpfung an Bord lehrt.

 

MCN: Herr Albert, die Havarie des Autotransporters „Freemantle Highway“ im Juli 2023 vor der friesischen Küste hat die Risiken von Feuer auf See noch einmal deutlich vor Augen geführt. Mutmaßlich war die Batterie eines Elektro-Autos ursächlich. Ihr Maritimes Kompetenzzentrum besitzt besondere Expertise auf dem Gebiet der Brandbekämpfung. Wie bewerten Sie diese Havarie?

Albert: Die Brandursache ist Stand heute noch nicht abschließend geklärt. Das ist auch nicht unsere Zuständigkeit. Wir sind aber tatsächlich schon in der Vergangenheit einige Male gefragt worden, ob wir ein spezielles Training für die Bekämpfung von Bränden mit E-Fahrzeugen anbieten können. Das tun wir bisher noch nicht. Es sind bei diesem Thema auch noch sehr viele Fragen offen. Es gibt beispielsweise noch nicht das eine, perfekte Löschmittel für derartige Brände. Es gibt zwar verschiedene Ansätze, brennende E-Autos zu löschen, die funktionieren aber nicht unbedingt im Laderaum eines Schiffs, wo Autos dicht auf dicht stehen und ich schon aus Platzgründen viele Gerätschaften nicht so einsetzen kann, wie es an Land möglich wäre. Hinzu kommt der menschliche Faktor. Seeleute sind keine Feuerwehrmänner. Trotz Sicherheitsgrundausbildung ist nicht jeder an Bord einer derartig extremen Situation wie auf der „Freemantle Express“ gewachsen. Als Ausbilder sind wir häufig an Bord von Schiffen, um dort Trainings durchzuführen. Wir beobachten, dass das Niveau der Ausbildung international doch sehr unterschiedlich ist und dass Mitarbeiter an Bord oft nicht auf solche Szenarien vorbereitet sind. Da gibt es Handlungsbedarf.

MCN: Anfang September feiern Sie in Elsfleth 40 Jahre deutsche Schiffsmechaniker-Ausbildung, unter anderem mit einem Tag der offenen Tür am 2. September. Ist der Beruf Schiffsmechaniker:in in Deutschland heute ein Beruf mit Zukunft?

Albert: Das ist er definitiv! Schiffe unter deutscher Flagge sind zwar schon seit Längerem nicht mehr verpflichtet, einen Schiffsmechaniker oder eine Schiffsmechanikerin in der Besatzung zu haben. Aber gerade in der küstennahen Fahrt sind Schiffsmechaniker mit ihren vielseitigen praktischen Fähigkeiten sehr begehrt. Auch die Offshore-Branche, die keine eigene Ausbildung hat, wirbt gerne Schiffsmechaniker ab. Eine Schiffsmechanikerausbildung kann aber auch eine gute Grundlage für ein Nautikstudium sein. So habe ich es beispielsweise gemacht: Ich war von 2007 bis 2010 als Auszubildender hier in Elsfleth, habe dann Nautik studiert, bin zur See gefahren und habe schließlich mein Kapitänspatent erlangt. Auch in dieser Zeit habe ich zwischendurch regelmäßig einmal im Jahr eine Gruppe Auszubildender betreut.

MCN: Viele Berufe haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt und tun dies auch weiterhin. Gilt das auch für den/die Schiffsmechaniker:in?

Albert: Ja, durchaus. Früher funktionierte an Bord praktisch alles mechanisch. Heute spielen Elektrotechnik und Pneumatik eine wachsende Rolle. Vieles an Bord wird mittlerweile hydraulisch, also mit Öldruck, betrieben. Dem werden wir in unserer Ausbildung gerecht. Elektrotechnik und Pneumatik sind heute Schulfächer bei uns. Wobei wir in der Schule mit Luft- statt Öldruck arbeiten. Das ist im Rahmen der Ausbildung sicherer.

MCN: Finden die Reedereien noch ausreichend Bewerber:innen für ihre Ausbildungsplätze? Was sollten junge Menschen mitbringen, die sich für den Beruf des Schiffsmechanikers bzw. der Schiffsmechanikerin interessieren und was erwartet sie am Berufsschulstandort Elsfleth?

Albert: Auch die Reedereien können heute oftmals nicht alle Auszubildendenstellen besetzen. Das ist leider nicht anders als in vielen anderen Branchen. Ein junger Mensch, der Schiffsmechaniker werden will, sollte natürlich ein grundsätzliches Interesse für Technik mitbringen. Und er sollte bereit sein, auch zu ungewöhnlichen Zeiten zu arbeiten und länger von zuhause weg zu sein und überhaupt einige Entbehrungen in Kauf zu nehmen. Besonders gute Englischkenntnisse sind in der Regel nicht nötig, jedenfalls nicht auf Schiffen im Nahverkehr, also etwa den Fähren zu den friesischen Inseln. In jedem Fall erlernt er oder sie einen sehr abwechslungsreichen Beruf, in dem man viel Verantwortung trägt und wo wirklich kein Tag dem anderen gleicht. Während ihrer Ausbildung sind die jungen Menschen zwölf Wochen als Blockunterricht in der Berufsschule, also hier in Elsfleth oder an den weiteren Schulstandorten Travemünde und Rostock. Hinzu kommt eine überbetriebliche, vierwöchige Grundausbildung in der Metallbearbeitung und anschließend zwei Wochen Schweißen und eine Woche Drehen.

MCN: Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit dem Maritimen Cluster Norddeutschland aus?

Albert: Die ist sehr gut und sehr eng. Die niedersächsische Geschäftsstelle ist wie wir auf dem Campus Elsfleth beheimatet und sitzt uns schräg gegenüber. Wir pflegen einen sehr regen Austausch. Die Kontakte des MCN sind für uns sehr wertvoll. So haben wir auch schon Veranstaltungen gemeinsam mit dem MCN oder mit anderen Mitgliedern gemacht. Nicht zuletzt hilft das Cluster uns, indem es über seine Kanäle auf unsere Veranstaltungen aufmerksam macht, wie beispielsweise unseren Tag der offenen Tür am 2. September. Da werden wir der Öffentlichkeit zeigen, was ein moderner Schiffsmechaniker macht und unsere Auszubilden werden vorführen, was sie bei uns lernen und trainieren.

 

Über Tobias Albert

Seit Februar 2023 leitet Tobias Albert (32) als Geschäftsführer das Maritime Kompetenzzentrum (Marikom) Elsfleth, wo er nach der Realschule von 2007 bis 2010 selbst eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker absolviert hatte. Von 2011 bis 2014 studierte Albert Nautik, in den Semesterferien fuhr er bei Hapag-Lloyd als Schiffsmechaniker. Für die Hamburger Reederei fuhr er später als Offizier und ab 2019 als Erster Offizier mit Kapitänspatent. Von 2021 bis 2023 arbeitet er als Dozent und Koordinator für das Marikom.