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18. Oktober 2023

Fünf Fragen an ... Julia Wittje

In der Bremerhavener Übungshalle von RelyOn Nutec lernen Offshore-Kräfte, wie sie sich auf hoher See aus einem abgestürzten Helikopter retten können. Was das Trainings-Portfolio des Unternehmens noch bereit hält und welche Pläne es für die maritime Branche hat, verrät Commercial Manager Julia Wittje im Interview.

 

MCN: Frau Wittje, in der maritimen Branche ist RelyOn Nutec noch nicht so bekannt. Wofür steht Ihr Unternehmen?

Wittje: RelyOn Nutec ist ein international agierender Dienstleister für Sicherheitstraining, Managementservice und Consulting. Weltweit sind wir an knapp 40 Standorten vertreten, und damit global betrachtet der größte Player im Bereich Sicherheitstraining. Dabei haben wir auf den unterschiedlichen Märkten unterschiedliche Schwerpunkte. In den Vereinigten Arabischen Emiraten sind wir beispielsweise sehr gas- und öllastig. In den USA wechselt es gerade von Öl und Gas zur Windbranche, das hält sich dort aktuell ungefähr die Waage. In Europa liegt unser Fokus auf der maritimen Industrie, wobei in Deutschland wiederum unsere Kernsäule die Erneuerbaren Energien mit Schwerpunkt auf der Windbranche sind.

MCN: Was können Sie Ihren Kunden am Standort Bremerhaven konkret bieten?

Wittje: Unser Kerngeschäft hier sind Sicherheitstrainings. Dabei richten wir uns nach den Standards der Global Wind Organisation (GWO). Mit unserem breit gefächerten Trainingsportfolio sind wir der größte Anbieter in Deutschland. Der Markt ist sehr interessant, denn jeder, der eine Offshore-Anlage betreten will, braucht Sicherheitstrainings – und muss diese alle zwei Jahre auffrischen. Ein klassischer Offshore-Techniker beispielsweise muss zwingend die fünf Module Working at Heights, Sea Survival, First Aid, Fire Awareness und Manual Handling absolvieren. Das sind die Basic Safety Trainings. Je nach Bedarf kann der Kunde weitere Module hinzubuchen. Besonders spektakulär ist sicher unser Helicopter Underwater Escape Training. Das ist im Offshore-Business oft sinnvoll, weil viele Crews mit dem Hubschrauber zu den Anlagen geflogen werden.

MCN: Das sind die Chancen für Ihr Unternehmen. Wie sieht es mit den aktuellen Risiken und Herausforderungen aus?

Wittje: Es ist wie überall: Es fehlen die Mitarbeiter! Die definierten Ausbauziele der Offshore-Windenergie stehen wegen des Fachkräftemangels ja schon in Frage. Wobei wir aus meiner Sicht nicht nur einen Mangel an Fachkräften sondern an Arbeitskräften überhaupt sehen. Diesen Mangel spüren wir in der Branche extrem, und auch unser Unternehmen ist davon betroffen. Wir brauchen viel Manpower bei uns im Trainingscenter, und wir suchen Festangestellte ebenso wie Freelancer. Der Instructor – oder Trainer – ist kein klassischer, geschützter Ausbildungsberuf. Das hilft uns, denn das macht es leichter, Expertise aus ganz unterschiedlichen Branchen zu rekrutieren. So haben wir heute erstklassige Experten mit ganz unterschiedlichen Hintergründen: Feuerwehrmänner, Rettungssanitäter, Piloten, Physiotherapeuten und viele andere Berufe. Wir konnten auch einen sehr erfahrenen Elektromeister an uns binden, der viele Jahre in der Offshore-Branche gearbeitet hat, und jetzt mit uns zusammen die technischen Trainings weiter auf- und ausbaut. Im administrativen Bereich setzen wir auf Hotelfachleute – das klappt sehr gut. Sie sehen: Wir haben eine wirklich vielfältige Belegschaft.

MCN: Das klingt nach einem großen Aufwand, der für die Sicherheit im Offshore-Bereich getrieben wird. Wohin geht die Entwicklung: Wird es künftig noch mehr Auflagen und Vorschriften geben?

Wittje: Wir beobachten derzeit zwei gegenläufige Trends: Auf der einen Seite werden von der GWO ständig neue Standards aus dem Boden gestampft. Auf der anderen Seite werden Standards eingekürzt und runterreduziert, auch, um den Markt für mehr Anbieter zu öffnen. Das ist aus unserer Sicht ein zweischneidiges Schwert und nicht immer der Sicherheit zuträglich. Ich nenne ein Beispiel: Wir betreiben in Bremerhaven eine eigene Wasserübungshalle mit Pool, in der wir Schlechtwetter simulieren können. Da können wir jegliches Überleben-auf-dem-Wasser-Training unter realistischen Bedingungen, aber in einem sicheren Rahmen, durchführen – bis hin zum schon genannten Helicopter-Underwater-Escape-Training, bei dem sich der angeschnallte Trainee unter Wasser aus einer umgedrehten Kapsel befreien muss. Das ist sehr aufwendig, wir haben Taucher, mehrere Trainer und einen Kranfahrer im Einsatz. Die neuen GWO-Standards, die Anfang dieses Jahres veröffentlich wurden, sind teilweise deutlich reduziert. Manches Training könnte man nun theoretisch in einem zwei mal drei Meter großen Gartenpool durchführen. Das halten wir doch für sehr fragwürdig.

MCN: Was hat Sie als relativ branchenfremdes Unternehmen dazu bewegt, im Maritimen Cluster Norddeutschland mitzuwirken? 

Wittje: Es stimmt, in Bremerhaven betreiben wir ein sehr windlastiges Trainingszentrum. Noch. Denn wir sind zunehmend auch in der maritimen Branche unterwegs und planen sogar neue Standorte an den deutschen Küsten. Aktuell arbeiten wir daran, uns nach maritimen Standards zertifizieren zu lassen. Für uns ist es sehr wichtig, diesen Markt genauer zu verstehen und herauszufinden, was unsere Kunden wirklich brauchen. Das Maritime Cluster Norddeutschland mit seiner Vernetzung in der Branche bietet uns dafür hervorragende Möglichkeiten. Wir finden das Maritime Cluster super und haben uns sehr gefreut, im Rahmen der diesjährigen Afsteken-Tour zahlreiche Mitglieder in unserem Trainingszentrum begrüßen zu dürfen.

Über Julia Wittje

Julia Wittje ist Commercial Manager Germany der RelyOn Nutec Germany GmbH in Bremerhaven. Berührungspunkte mit der Offshore Branche hatte sie standortbedingt schon während ihrer ersten Karriere in der Hotellerie. Nach einer intensiven Zeit als Veranstaltungsverkaufsleitung im Bremerhavener Atlantic Hotel Sail City, eröffnete sie am selben Ort das Hotel THE LIBERTY mit und trug als Direktionsassistentin dazu bei, den Weg für dieses Haus zu ebnen. Im Jahr 2020 setzte sie dann mit RelyOn Nutec Germany ihre Segel neu. Als ein Teil des Managements in Deutschland und zuständig für die Bereiche Commercial Management sowie Sales & Marketing ist sie hauptverantwortlich für die Außenwahrnehmung des Weltmarktführers in Deutschland