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05. Januar 2024

Fünf Fragen an ... Hartmann Schleifer

Hartmann Schleifer ist Gründer und Geschäftsführer der in Putbus auf Rügen ansässigen NautiTronix UG. Im Interview spricht er über seinen Weg als Gründer in der maritimen Branche, den menschlichen Faktor in der Digitalisierung der Schifffahrt und das Potenzial der Künstlichen Intelligenz für die Branche.

 

MCN: Herr Schleifer, was verschlägt einen Österreicher nach Rügen und in die maritime Branche?

Schleifer: Ich stamme aus Kärnten in Südösterreich und bin nach einem Studium in Wien mit meiner Frau und meinen Kindern nach Rügen gezogen. Wir wollten raus aus der Stadt! Die Region hier ist wie meine österreichische Heimat landschaftlich sehr schön und stark touristisch geprägt. Dass ich dann in der Schifffahrt gelandet bin, ist ein bisschen dem Zufall geschuldet. Ich komme aus der Informatik und war zunächst freiberuflich als Digitalisierungsberater unter anderem bei der Weißen Flotte in Stralsund tätig. So bin ich in die maritime Wirtschaft gerutscht. 2019 habe ich dann gemeinsam mit Robert Garbe mein eigenes Unternehmen gegründet, die NautiTronix UG. Wir sind dann rasch auch beim Maritimen Cluster Norddeutschland eingestiegen. Das war für uns sehr wertvoll, um Kontakte zu knüpfen und ein Netzwerk in der Branche aufzubauen. Mein Kollege Christoph Bünger engagiert sich mittlerweile sogar sehr aktiv in der Fachgruppenleitung Schiffseffizienz des MCN – das ist sehr spannend.

MCN: Welche Innovationen bietet ihr junges Digitalunternehmen der Schifffahrt an?

Schleifer: Wir haben als erstes Produkt eine Hard- und Softwareplattform für die digitale Schiffsinspektion entwickelt, die auch auf Bestandsschiffen gut nachgerüstet werden kann. Die digitalen Daten, die wir erheben und auswerten, erlauben ein Remote Condition Monitoring, also eine Echtzeitüberwachung mit Frühwarnsystem aus der Ferne. Unsere Plattform bietet einen echten Mehrwert, denn der Flottenbetreiber kann die Systeme aller seiner Schiffe zentral überwachen und proaktiv tätig werden, wenn sich ein Problem abzeichnet. Man muss nicht unbedingt warten, bis etwas kaputt ist. Aktuell wird daneben ein zweites Thema immer wichtiger für uns: die Schiffseffizienz. Mit unseren Daten können wir Reedern helfen, ihren Kraftstoffverbrauch und damit ihre Emissionen zu senken. Sehr interessant sind unsere Daten auch für das Retrofit von Schiffen. Wir hatten schon Projekte, wo wir erkennen konnten, dass ein kleinerer und damit sparsamerer Motor völlig ausreichend für ein Schiff wäre. Das wurde dann bei der Ersetzung berücksichtigt und wirkte sich anschließend im Betrieb sehr vorteilhaft auf den Verbrauch aus.

MCN: Es fällt auf, dass Sie Ihr Produkt aktuell nur in der Binnenschifffahrt vermarkten. Passt ihr System nicht für die hohe See?

Schleifer: Doch! Aber als kleines Unternehmen mit einer Handvoll Leute mussten wir uns anfangs stark fokussieren. Weil mein Mitgründer Robert Garbe auch weiterhin bei der Weißen Flotte beschäftigt ist, lag es für uns nahe, mit Binnenschiffen zu beginnen. Wir hatten für unseren ersten Kunden dann ein konkretes Problem zu lösen und bekamen dafür fünf Monate Zeit. Anfangs wollten wir eigentlich nur die Software entwickeln. Da wir auf dem Markt aber keine für uns geeignete Hardware fanden, haben wir die dann auch selbst gebaut. Als Informatiker, der von der Software kommt, war ich zunächst etwas skeptisch. Wir haben aber eine richtig gute Lösung gefunden. Die CE-Zertifizierung hat anschließend noch einmal viel Kraft und Zeit gekostet. Aber auch die haben wir geschafft. Die Offshore-Branche habe wir nun als nächstes im Blick. Unser Produkt benötigt dafür keine zusätzliche Zertifizierung, also kann es prinzipiell sofort losgehen. Wir wollen auf jeden Fall in diese Richtung expandieren, aber gerade als kleine Firma müssen wir das sehr solide machen. Ein erster konkreter Schritt in diese Richtung ist unsere aktive Beteiligung am GreenOffshoreTech-Projekt, für das wir ein neuartiges Batteriemanagementsystem für maritime Anwendungen entwickeln werden.

MCN: Der maritimen Branche wird gern nachgesagt, dass sie mit Digitalisierungsthemen viel zu abwartend umgehe. Können Sie das aus Ihrer Erfahrung bestätigen?

Schleifer: Da ist sicherlich etwas dran. Doch diese Zögerlichkeit sehen wir nicht nur in der Schifffahrt, sondern eigentlich in allen Branchen, in denen nicht überwiegend Digital Natives an den Schaltstellen sitzen. Wenn Digitalisierung gelingen soll, egal in welcher Branche, ist aus meiner Sicht das Wichtigste, dass man die Menschen mitnimmt und Akzeptanz für die neue Technik schafft. Das gilt nicht nur für die Entscheider, die die digitale Technik einkaufen, sondern vor allem auch für die Menschen, die täglich mit ihr zu tun haben werden. Sie müssen darin einen Mehrwert für sich erkennen. Teilweise gilt es auch, Ängste auszuräumen. Wir hatten mal ein Projekt, wo jemand das Kabel zu einem unserer Systeme durchgezwickt hat, weil er Angst vor Überwachung hatte. So gelingt Digitalisierung nicht. Sie müssen die Menschen mitnehmen! Um diese Akzeptanz zu erhöhen, engagiere ich mich beispielsweise auch als ehrenamtlicher Digitalisierungsbotschafter in Mecklenburg-Vorpommern.

MCN: Die Fortschritte der Künstlichen Intelligenz sind im Augenblick ein Mega-Thema. Spielt die KI für Sie schon eine Rolle?

Schleifer: Ja, durchaus. Wir gucken auch, wie wir mithilfe von KI zusätzlichen Mehrwert schaffen können. Wir sehen viel Potenzial zum Beispiel in der Betriebsüberwachung von Systemen und im Bereich Predicitve Maintenance. Wir werden dank KI sich anbahnende Probleme künftiger noch früher und zuverlässiger erkennen können. Auch für die autonome Schifffahrt wird sie eine Rolle spielen. Eine intelligente Objekterkennung könnte zum Beispiel hilfreich sein, um Schwimmer zu erkennen. Das ist auf hoher See kein großes Thema, auf Binnengewässern aber schon. Das alles ist aber noch in der Entwicklung. Das Potenzial ist gewaltig, aber man muss auch genau hinschauen, wo KI als Werkzeug tatsächlich einen Zusatzwert schafft. Sie ist nicht immer und überall die beste Lösung. Mit einem Hammer kann man ja auch keine Löcher bohren.

Über Hartmann Schleifer

Hartmann Schleifer, Geschäftsführer von NautiTronix, widmet sich intensiv der Innovation und Nachhaltigkeit in der maritimen Branche. Das Unternehmen bietet der Schifffahrt mit umfassender Datenerfassung und -analyse die digitale Lösung für Schiffsinspektion und Schiffseffizienz. Darüber hinaus engagiert sich Hartmann Schleifer auch für die Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft. Als Mitgründer und CTO der BIOCEN TECHNOLOGY GmbH, einem Geschäftsbereich der BIOCEN AG, konzentriert er sich auf forstwirtschaftliche Technologielösungen. Der studierte Informatiker berät zudem in verschiedenen Bereichen der Digitalisierung, wie etwa in seiner Funktion als Digitalisierungsbotschafter von Mecklenburg-Vorpommern oder auch als externer Lehrbeauftragter an der Hochschule Wismar.