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07. Dezember 2021

Wir machen das Schiffs-Recycling sicherer und sauberer

Das Start-up Leviathan aus Cuxhaven will Schiffe künftig wieder in Deutschland und Europa recyceln. Für sein Projekt erhielt es den MCN Cup 2021 in der Kategorie C „Wie lassen sich die weiteren maritimen Branchen nachhaltiger gestalten?“ Die Gründer Simeon Hiertz und Karsten Schumacher erläutern im Interview, wie nachhaltiges Schiffsrecycling funktionieren kann.

Sie haben Ihrem preisgekrönten Projekt den Titel „Industrielles Recycling von Schiffen - Solving the dark side of shipping“ gegeben. Worin besteht diese „dunkle Seite“ der Schifffahrt?

Hiertz: Tausende ausgemusterte Handelsschiffe werden heute an den Stränden von Bangladesch, Indien und zunehmend auch der Türkei überwiegend in Handarbeit zerlegt. Diese Arbeit ist sehr gefährlich. Die Arbeiter, die die Schiffe abbrechen, gehen teilweise barfuß an Bord, auch Kinderarbeit ist an der Tagesordnung. Immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen. Auch für die Umwelt gehen große Gefahren von der Zerlegung der Schiffe aus. Diesen Zustand wollen wir ändern.

Wie sieht Ihre Lösung aus?

Schumacher: Unser Konzept sieht vor, diese Schiffe künftig in großen, geschlossenen Hallendocks zu zerlegen und den wertvollen Schiffsstahl und andere wertvolle Rohstoffe anschließend zu 100 Prozent zu verwerten. Wir wollen den Stahl komplett im kalten Wasserstrahlverfahren zerlegen, also komplett ohne heiße Arbeiten. Anders als beim Schweißen entstehen dann keine giftigen Gase und das Risiko, dass ein Feuer ausbrechen könnte, wird eliminiert. Das Arbeiten wird also sicherer und sauberer. Es werden auch keine Arbeiter auf oder in dem Schiff arbeiten. Sie werden nur außerhalb des Rumpfes tätig sein. Viele Tätigkeiten werden zudem automatisiert.

Wie viele Schiffe ließen sich in einer solchen Anlage pro Jahr zerlegen?

Hiertz: Die Kapazität einer Anlage beträgt rund 700.000 ldt (lightship deadweight = Leerschiffsgewicht), das heißt, bei voller Auslastung könnten dort in einem Jahr 50 Schiffe der Panamax-Klasse, also mittelgroße Containerschiffe, recycelt werden. Das ist aus globaler Perspektive ein Tropfen auf den heißen Stein, aber wir sind davon überzeugt, dass dieses Konzept überlegen ist und sich durchsetzen wird.

Wollen Sie mit Ihrem Schiffsrecycling in erster Linie die Welt zu einem besseren Ort machen, oder steckt da auch ein Business Case dahinter?

Schumacher: Die Welt zu verbessern, wäre ein sehr hoher Anspruch. Wir wollen aber schon zeigen, was geht, und die soziale und ökologische Messlatte für das Schiffsrecycling ein bisschen höher hängen. Dennoch steckt dahinter auch eine Geschäftsidee. Wir wollen damit auch Geld verdienen. Ein zusätzliches Anliegen ist uns, Transparenz herzustellen. Wir können uns gut vorstellen, eine Besuchergalerie in das Hallendock zu integrieren. Das könnte sogar eine Touristenattraktion werden, denn das Zerlegen solcher Ozeanriesen ist natürlich spektakulär.

Werden Sie preislich mit der Konkurrenz in Fernost mithalten können? Die Abwracker dort profitieren schließlich vor allem von billigen Arbeitskräften und niedrigen Sozial- und Sicherheitsstandards.

Hiertz: Das ist eine Herausforderung. Wir werden aber einen sehr hohen Automatisierungsgrad haben. Das hilft. Natürlich sind wir auch abhängig vom Weltmarkt und den Preisen, die wir für recycelten Stahl erzielen können. Der geht aber langfristig in der Tendenz eher nach oben, was uns dann ebenfalls hilft. Wir beobachten auch, dass der regulatorische und gesellschaftliche Druck auf die Schifffahrt, nachhaltiger zu operieren, stark zunimmt. Da passt unser Ansatz natürlich gut.

Wie weit ist der Weg noch, bis die erste Anlage für das Recycling von großen Schiffen in Deutschland in Betrieb gehen kann?

Schumacher: Mit dem Fraunhofer-Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik (IGP) und der IMG ­– Ingenieurtechnik und Maschinenbau GmbH aus Rostock haben wir bereits eine Kooperation geschlossen, welche zum Ziel hat, das Gebiet des industriellen Schiffsrecyclings zu beforschen. Hier sind bereits gute und konstruktive Gespräche geführt worden. Das wachsende Interesse der Schiffseigner ist ebenfalls zu spüren. Wir sind in Kontakt mit einigen Reedereien und führen aussichtsreiche Gespräche. Wir sind sehr optimistisch, dass es in Richtung einer Realisierung schon 2022 positive Nachrichten geben könnte. Der Gewinn des MCN Cup und die damit verbundene Aufmerksamkeit hat jetzt für weiteren Rückenwind gesorgt.

 

 

Über Karsten Schumacher und Simeon Hiertz

Karsten Schumacher und Simeon Hiertz sind Gründer und geschäftsführende Gesellschafter der Leviathan GmbH mit Sitz in Cuxhaven. Beide sind Diplom-Ingenieure für Schiffbau und Meerestechnik mit rund 15 Jahren Erfahrung als Schiffsbesichtiger für eine Klassifizierungsgesellschaft.

 

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