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15. März 2023

Studie zum Digitalen Zwilling im Aftersales-Service für den Schiffbau und Schiffsbetrieb

Die Anwendung von Digitalen Zwillingen – einer der Kerntechnologien der Industrie 4.0 – in der maritimen Wirtschaft birgt erhebliches Potenzial, um insbesondere im Bereich Aftersales-Service schneller, verlässlicher und innovativer den wachsenden Bedarf an nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Problemlösungen zu decken. Verbunden damit sind eine langfristige Kundenbindung und die datenbasierte Entwicklung neuer produktbegleitender Dienstleistungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD und des Fraunhofer-Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML, die am 14. März 2023 auf einer Veranstaltung des Maritimen Clusters Norddeutschland (MCN) in Schwerin vorgestellt wurde.

In der vom MCN beauftragten Untersuchung zu „Potenzialen und Chancen des Digitalen Zwillings im Aftersales-Service für den Schiffbau und Schiffsbetrieb“ sehen in der Studie befragte Branchenakteur:innen unter anderem „zentrale positive Effekte durch die zielgerichtete Nutzung von Datenströmen zur Optimierung des Schiffs- und Flottenmanagements“. Auch werden durch den Einsatz von Digitalen Zwillingen „Potenziale für innovative Dienstleistungskonzepte, wie etwa das virtuelle Training von Fachpersonal oder die remoteunterstützte Wartung und Instandhaltung von schwer zugänglichen Systemen“ erwartet. Digital Twins können nach Ansicht der Unternehmen zudem ein Instrument sein, das „zur Entwicklung in Richtung einer nachhaltigen Schifffahrt“ beitragen kann.

Bei der Vorstellung der Studie in Schwerin verwies Dr. Kristine Bauer vom Fraunhofer IGD in Rostock, dass die technischen Grundlagen für Digitale Zwillinge bereits vorhanden sind, um neue innovative Produkte im Bereich Aftersales-Service zu kreieren. Erfolgreiche Praxisbeispiele im Service- und Reparaturbereich im Schiffbau und in der Offshore-Industrie belegen dies. Die Ergebnisse der Studie haben aber auch aufgezeigt, „dass der Digitale Zwilling noch nicht im Alltag insbesondere von kleineren und mittelständischen Unternehmen angekommen ist“, betonte die Wissenschaftlerin. Vielfach fehlt es an qualifiziertem Fachpersonal und Strukturen für „eine durchgehende Daten-Prozesskette“.

Zudem existieren in punkto Digitaler Zwilling noch etliche offene Fragen zu Standardisierung, zur Datenhoheit und Cybersicherheit. Da bisher vor allem unternehmensinterne Lösungen existieren, ist für komplexere Anwendungen zum Beispiel im Zusammenspiel von Werften und Zulieferern der notwendige Datenaustausch zumeist erschwert. Hier sehen die Autor:innen der Studie erhebliche Handlungsbedarfe. Sie schlussfolgern auch, dass bisher „kein einheitliches Verständnis des Konzeptes Digitaler Zwilling“ in der Wissenschaft und Wirtschaft existiert, was unter anderem mitbewirkt, dass in vielen Unternehmen „Potenziale und Anwendungsmöglichkeiten noch nicht vollständig wahrgenommen“ werden.

Fachveranstaltung gab weitere Einblicke in das Thema Digitaler Zwilling

Das MCN nahm die Vorstellung der Studie in Schwerin zum Anlass, über deren Ergebnisse sowie Perspektiven des Einsatzes von Digitalen Zwillingen mit Expert:innen zu diskutieren. Um die Akzeptanz der digitalen Twin-Technologie zu erhöhen, sei es erforderlich, „kommerzielle Standards zu entwickeln, mit denen entscheidende Fragen der Nutzer geregelt sind“, betonte in einem Vortrag Götz Anspach von Broecker von der Airbus Defence and Space GmbH. In der Zusammenarbeit von Unternehmen müsse klar sein, „wo Daten gespeichert, von wem sie verwendet werden für welchen Zweck und wer Zugriff darauf hat“. Eine übergreifende Systemstruktur, die mehrere Systeme über entsprechende Schnittstellen miteinander sicher verknüpft, ermöglicht bereits in der Luft- und Raumfahrt sowie im maritimen Bereich eine umfangreiche Erfassung, Analyse und Abbildung von Daten im Digitalen Zwilling. Eine entsprechende Applikation habe Airbus beispielsweise für das Maritime Sicherheitszentrum (MSZ) in Bremerhaven entwickelt und installiert.

 

 

Ein weites Anwendungsfeld im maritimen Verkehr zeigte Prof. Dr. Axel Hahn vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt auf. Die Technologie Digitaler Zwilling eigne sich besonders, „die Abwicklung aller maritimen Transportaufgaben inklusive Hafen und Hinterland zu optimieren“. Die Verkehre ließen sich mit Dienstleister:innen koppeln und so sämtliche Prozessabläufe online überwachen und steuern.

In zwei Workshops loteten die Veranstaltungsteilnehmer:innen zum einen aus, welche Möglichkeiten sich den Unternehmen eröffnen könnten, mit Digital-Twins-Lösungen kommerziell erfolgreich zu sein. Hier zeichnete sich unter anderem ein künftig großes Potenzial für die Entwicklung Digitaler Zwillinge bei der Umrüstung von vorhandenen Schiffen auf umweltschonende Antriebe sowie alternative Energieträger ab.

Zum anderen diskutierten die Expert:innen, wie die digitale Abbildung realer Objekte und Prozesse zum sicheren Betrieb von Schiffen und Offshore-Anlagen beitragen können. Im Fazit unterstrichen sie, dass die Komplexität jedes Anwendungsfalls eines Digitalen Zwillings eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert, von IT-Spezialisten bis zu zuständigen Behörden.

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