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09. Juni 2021

Fünf Fragen an ... Christoph Werthmann

Als Global Account Manager Marine verantwortet Christoph Werthmann das internationale maritime Geschäft der Viega GmbH & Co. KG mit Sitz in Attendorn. Deren Geschäft begann 1899 mit der Produktion von Bierhähnen. Heute beschäftigt der Spezialist für Installationstechnik weltweit mehr als 4.700 Menschen und gilt als Weltmarktführer im Bereich der Rohr- und Pressverbindungstechnik. Warum es das Unternehmen mittlerweile auch aufs Wasser zieht, erläutert Christoph Werthmann.

MCN: Mittelständisches Familienunternehmen, Weltmarktführer, 120jährige Tradition, Sitz im Sauerland – diese vier Attribute beschreiben ganz gut die Viega GmbH & Co. KG. Das klingt nach einer sehr deutschen Geschichte. Wieviel „Made in Germany“ steckt heute noch in Ihren Produkten?

Werthmann: Wir produzieren tatsächlich noch komplett in Deutschland. Jedes Fitting, das sie in unserem Katalog finden, wird in einem deutschen Viega Werk hergestellt. Das erlaubt uns, sehr hohe Qualitätsstandards einzuhalten – denen wir uns im Übrigen selbst verschreiben: Viega. Höchster Qualität verbunden. Wichtig ist für uns auch die Kundennähe und Partnerschaft auf Augenhöhe. Wir bekommen an unseren Standorten gern Besuch und lassen uns auch über die Schulter schauen. Daneben bieten wir unseren Kunden vielfältige Schulungen an, beispielsweise zur Trinkwasserhygiene. Zur Kundennähe zählt für uns auch eine hohe Verfügbarkeit der Viega Produkte. Aus unserem Logistikzentrum am Standort Attendorn lagern Produkte auf 100.000 Palettenstellplätzen. So können alle Produkte immer kurzfristig an unsere Kunden ausgeliefert werden.

MCN: Groß geworden ist Viega mit der Installation in Gebäuden. Heute haben Sie aber auch einen starken maritimen Geschäftsbereich. Was sind die besonderen Anforderungen an Rohrleitungssysteme auf Schiffen?

Werthmann: Das beginnt mit der Zulassung. Dieser Prozess ist etwas komplizierter als im Hochbau, denn die Zulassung richtet sich jeweils nach der Klasse des Schiffs. Und jede Klassifizierungsgesellschaft hat eigene Vorschriften. Wir verfügen über mehr als 50 Type Approvals Je nach Anforderung der Werft und Klasse können wir die passenden Rohrleitungssysteme für eine Vielzahl an Anwendungen abdecken. Durch den Einsatz verschiedener Werkstoffe können unterschiedlichste Medien im maritimen Bereich abgedeckt werden – egal ab Seewasseranwendungen mit CuNiFe oder Trinkwasser mit Edelstahl, Kupfer oder Kunststoffrohrleitungssystemen. Bei Letzterem ist sehr wichtig, dass wir allerhöchste Qualität entsprechend der Trinkwasserverordnung gewährleisten können. Ein interessanter Aspekt ist, dass wir sämtliche Leitungen nicht schweißen, sondern mit der kalten Presstechnik verbinden. So kann es auch nicht zu den auf Werften gefürchteten Bränden kommen. Für einen solchen reichen im schlimmsten Fall nur wenige Schweißperlen aus. Es ist keine Brandwache erforderlich und auch der Platzbedarf zur Erstellung der Pressverbindung ist minimal. Die Presstechnik ist daneben auch deutlich schneller und weniger körperlich belastend als das Schweißen. Ein Vier-Zoll-Rohr verbinden wir so in unter 15 Sekunden statt in 45 Minuten. Leichter zu erlernen ist sie ebenfalls, was im Hinblick auf den steigenden Fachkräftemangel von ausgebildeten Schweißern ein klarer Vorteil ist.

MCN: Neben dem „klassischen“ Installationsgeschäft sind Sie auch auf dem Feld der Digitalisierung tätig. So hat das Viega-Familienmitglied DiConneX für das Forschungsschiff des Alfred-Wegener-Instituts, die „Polarstern“, einen digitalen Zwilling geschaffen. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Werthmann: Ein digitaler Zwilling ist ein dreidimensionales, realistisches Abbild eines Schiffs. Das heißt, die Forscher können sich schon vor ihrer Reise virtuell durch die „Polarstern“ bewegen und sich beispielsweise mit den Laboren oder ihrer Kabine vertraut machen. Sie können sogar vorab ihren Labortisch ausmessen und so erkennen, ob ihr Equipment auch Platz darauf findet. Diese Möglichkeit ist sehr vorteilhaft, gerade für ein Schiff wie die „Polarstern“, die oft sehr lange keinen Hafen anläuft oder sogar im arktischen Eis überwintert.

Der digitale Zwilling kann aber noch mehr. In Kombination mit den richtigen Messfühlern vermag er Aussagen über den Betrieb des Schiffs machen. Wenn ein System nicht funktioniert, also beispielsweise eine Pumpe ausgefallen ist, kann ich den virtuellen Maschinenraum betreten und mir die Pumpen anschauen. So erkenne ich schon aus der Ferne, wo das Problem liegt und welche Ersatzteile benötigt werden.

MCN: Ist der digitale Zwilling in der Schifffahrt heute schon Standard?

Werthmann: Es ist eine Technologie, die sehr stark im Kommen ist. Gerade während der Corona-Pandemie ist vielen deutlich geworden, wie hilfreich es ist, sich etwas auch digital aus der Ferne anschauen zu können. Grundsätzlich bietet ein digitaler Zwilling viele tolle Möglichkeiten, die oft auch mit Zeit- und Geldersparnis einhergehen. Auch Sicherheit ist ein Thema: Marinekadetten könnten so schon eingewiesen werden, bevor sie das echte Schiff betreten. Kreuzfahrtpassagiere könnten mit Hilfe des digitalen Zwillings die passende Kabine finden und sich schon vor dem Einchecken mit dem Wellnessangebot und den Restaurants an Bord vertraut machen. Das wird alles kommen.

MCN: Was hat Viega bewogen, dem Maritimen Cluster Norddeutschland beizutreten?

Werthmann: Der Gedanke der Vernetzung steht bei uns an erster Stelle. Die maritime Branche ist sehr vielfältig und es ist überaus spannend, sich mit anderen Mitgliedern auszutauschen. Jedes Unternehmen hat seine eigene Geschichte, seine eigene Welt – das kann auch über den rein fachlichen Austausch hinaus sehr inspirierend sein.

Über Christoph Werthmann

Christoph Werthmann ist Global Account Manager Marine bei der Viega GmbH & Co. KG. Seit mehr als fünf Jahren betreut er die maritime Branche im Bereich der Rohrleitungstechnik. Insbesondere der Bereich der Trinkwasserinstallation und Hygiene liegt ihm sehr am Herzen. Zuvor schulte Christoph Werthmann diesen Bereich intensiv in Bezug auf die gültigen Regelwerke und ist daher heute noch ein gefragter Ansprechpartner, wenn es um diese Themen geht.

Nach seiner Ausbildung als technischer Zeichner absolvierte Christoph Werthmann eine Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker HKL (Heizung Sanitär Klima) und erwarb sich durch diese Tätigkeit als Seminarreferent für Trinkwasser eine Zulassung als Schulungsreferent nach VDI / DVGW 6023 im Bereich Technik.

Christoph Werthmann ist 43 Jahre alt, wohnhaft im Sauerland, verheiratet und Vater von zwei Kindern.