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21. Oktober 2022

Evolution oder Revolution

Lüder Hogrefe

© Lüder Hogrefe

Dr. Lüder Hogrefe hat das Maritime Cluster Norddeutschland als Beiratssprecher und Impulsgeber geprägt – zum Jahresende scheidet er aus.

„Evolution reduziert Risiken, eine Revolution spart Zeit“ – dieses Motto ziert Lüder Hogrefes LinkedIn-Profil. Für welchen Weg er sich entschieden habe? „Von meinem Naturell her tendiere ich eher in Richtung Revolution“, bekennt der 66-Jährige lachend.

Der zum Jahresende ausscheidende Beiratssprecher Lüder Hogrefe ist eine der prägenden Gestalten des Maritimen Clusters Norddeutschland (MCN). 2004 gehörte er zu den Geburtshelfern der Clusterinitiative. „Im Maritimen Forum war uns damals aufgefallen, dass die Politik, wenn sie von maritimer Wirtschaft sprach, immer nur die Werften meinte. Das wollten wir ändern“, erinnert er sich. Gesagt, getan: Eine Ausstellung im Kieler Landeshaus, die die gesamte Bandbreite der maritimen Branche zeigte, überzeugte auch die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis. Das Maritime Cluster wurde aus der Taufe gehoben, zunächst beschränkt auf Schleswig-Holstein.

„Ich habe dann frühzeitig für eine Ausweitung auf andere Länder plädiert, hätte mir auch eine bundesweite Organisation vorstellen können“, erzählt Hogrefe, der seit der Gründung dem MCN-Beirat angehörte. Zu seinen prägenden Erfahrungen dieser Anfangszeit zählte die Einsicht, dass politische Mühlen manchmal langsamer mahlen. „Es hat ein paar Jahre gedauert, bis die Politik sagte, Ja, das ist eine gute Idee‘.“ Mehr Evolution also als Revolution – das war neu für Hogrefe, der in amerikanisch geführten Unternehmen sozialisiert wurde, in denen schnelle, harte Entscheidungen die Regel waren.

Im neu geschaffenen Maritimen Cluster Norddeutschland gehörte Hogrefe sofort wieder dem Beirat an. „Ich hatte die Ehre, dieses Gremium schon in der Findungsphase zu leiten“, erzählt er. Organisationsfragen standen zunächst im Vordergrund – ein hoch politisches Thema, um das die beteiligten Länder lange miteinander rangen. „Als Beirat haben wir unseren Senf dazugegeben: Wir wollten eine möglichst sach- und projektorientierte Struktur mit möglichst wenig politischem Einfluss aus den Ländern“, erinnert sich Hogrefe. Ein Anspruch, den er rückblickend für nur teilweise erreicht hält: „Es fiel damals die Entscheidung, dem Cluster eine Vereinsstruktur zu geben. Wir hätten uns auch gut eine GmbH mit einer schlagkräftigen Geschäftsführung und ansonsten sehr schlanken Strukturen vorstellen können“.

Höhepunkte gab es einige in der Ära Lüder Hogrefes. Besonders gern erinnert er sich an Fälle, in denen der Beirat konkret helfen konnte. So, als eine auf IT und Datenbanken spezialisierte Firma ein neues Thema entdeckte, für das ihm allerdings die maritime Expertise fehlte: Munitionsräumung in der Ostsee. „Denen konnten wir mit Beratung und Kontakten weiterhelfen. Heute sind die in dem Bereich sehr gut aufgestellt“, freut sich Hogrefe. Auf der Habenseite verbucht der Beiratsvorsitzende auch die gesteigerte mediale Wahrnehmung des Clusters und der maritimen Wirtschaft insgesamt. „Da hat sich in den letzten zwei, drei Jahren viel getan.“

Aus Sicht des scheidenden Beiratsvorsitzenden, der sich zukünftig mehr in Fragen der deutschen Sicherheitspolitik engagieren will, stehen beide – Cluster und maritime Wirtschaft – in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen. „Die deutsche Branche droht abgehängt zu werden, da besteht großer Handlungsbedarf“, ist er überzeugt. Für das Maritime Cluster Norddeutschland würde er sich eine strategischere Ausrichtung auf solche Projekte wünschen, „die einzelne Unternehmen nicht stemmen können“. Auch organisatorisch sieht er Veränderungsbedarf: „Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob ein ehrenamtlicher Cluster-Vorstand noch zeitgemäß ist. Das ist heute ein knallharter Vollzeitjob“. Evolution oder Revolution? Hogrefe antwortet salomonisch: „Ich könnte mir hier eine Reform gut vorstellen“.